AMPERE 3.2020
Im Gespräch: Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), und Dr. Christian Rosenkranz, Geschäftsführer des Batterieherstellers Clarios.
Ohne Rohstoffe keine Energie- und Verkehrswende. Doch wie kann dafür gesorgt werden, dass sich die sozialen Standards in den Abbauländern verbessern? Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), im Dialog mit Dr. Christian Rosenkranz, Geschäftsführer des Batterieherstellers Clarios.
GÖNNER: Die Ursprünge der GIZ liegen in der Tat im Ingenieurtechnischen. Doch für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit braucht es mehr als Infrastruktur. Letztlich geht es darum, wie Wirtschaft und Arbeitsplätze gefördert werden können. Und da liegt in vielen Ländern die Beschäftigung mit Rohstoffen nahe.
GÖNNER: Wenn ein Land wie Deutschland mit anderen Staaten über Rohstoffpartnerschaften spricht, gehört es einfach dazu, über Menschenrechte zu sprechen. Das ist nicht immer einfach, aber wir dürfen eigene Grundüberzeugungen nicht vergessen. Allerdings wäre es abwegig, davon auszugehen, dass Rohstoffabbau in afrikanischen Ländern ähnlich durchgeführt wird wie bei uns. Die Menschen arbeiten zum großen Teil handwerklich. Deshalb wollen wir mit unseren Projekten konkrete Verbesserungen für die Menschen erreichen.
ROSENKRANZ: Es ist unsere Pflicht, ethisch saubere Rohstoffe zu beziehen. Die Batteriebranche macht nur einen Teil der Metallindustrie aus. Europäische Unternehmen haben einen relativ geringen Marktanteil. Die meisten Großunternehmen kommen aus China oder den USA. Wenn wir versuchen, höhere Standards zu setzen, brauchen wir ein Regelwerk, an das sich alle halten, sonst haben wir einen Wettbewerbsnachteil. Das ist nur zu lösen, indem wir als Europäer eine führende Rolle darin übernehmen, global gültige Standards zu etablieren.
ROSENKRANZ: Wir wirken daran aktiv mit, ebenso am Branchendialog Automobilwirtschaft, den der Bundesarbeitsminister initiiert hat. Allerdings wäre eine Rücksprache mit der Wirtschaft über die bereits getroffenen Maßnahmen wünschenswert gewesen, bevor man ein Lieferkettengesetz entwirft.
GÖNNER: Ich kann gut nachvollziehen, dass die Wirtschaft hier in einem Spannungsfeld agiert, in dem die Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle spielt. Von daher sollten sich globale Gruppen von Unternehmen finden, die gemeinsam Standards setzen und sich selbst zur Einhaltung verpflichten. Aufgabe der Politik wäre dann darauf zu schauen, ob das Niveau ambitioniert genug ist.
GÖNNER: Gerade deswegen halte ich die Branchendialoge im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für sehr wichtig. Im Dialog können wir herausfinden, ob das, was sich auf nationaler Ebene scheinbar so einfach anhört, im internationalen Raum tatsächlich umzusetzen ist. Wir wissen ja aus der Iso-Zertifizierung, dass diese die Anforderungen in der Lieferkette nach hinten verschiebt. Die Frage ist aber, was am Ende der Lieferkette tatsächlich passiert. Hilft das, was wir tun, wirklich denen, denen wir helfen wollen? Oder führt es nur zu einer Marktverdrängung?
ROSENKRANZ: In der Tat ist es keine Lösung, einer Bleihütte in Nigeria nur anzudrohen: „Entweder ihr haltet diese Standards ein oder wir kaufen nicht mehr bei euch.“ Denn dann wird der Anbieter an jemand anderen verkaufen und niemand hat etwas gewonnen. Wichtiger sind langfristige Partnerschaften und mittelfristige Vereinbarungen, die auf ökologische und soziale Verbesserungen abzielen. Wir sehen daher keinen unbedingten Widerspruch in Selbstverpflichtungen und Gesetzen, das kann auch Hand in Hand gehen.
ROSENKRANZ: Die Automobilindustrie hat ein intrinsisches Interesse daran, Rohstoffketten nachzuvollziehen. So haben wir beispielsweise Modellprojekte, bei denen wir mithilfe von Blockchain-Technologie die Herkunft von Rohstoffen nachvollziehen wollen. Und auch der mit der klassischen Dokumentation von Lieferketten verbundene Aufwand ist für uns als großes Unternehmen zu bewältigen. Dennoch halte ich es ebenfalls für sinnvoll, einen branchenweiten Dialog zu führen, in den auch kleinere Unternehmen und deren Sichtweise eingebunden sind – etwa über den Fachverband Batterien im ZVEI.
ROSENKRANZ: Mit dem Elektroauto steigt die Sensibilität gegenüber der Frage, wie es gefertigt wird und wo die Materialien dafür herkommen. Das gilt übrigens auch für die Bleibatterie, wo die europäischen Standards ebenfalls in vielen Ländern nicht gegeben sind.
GÖNNER: Tatsächlich gibt es im Wettbewerb der Systeme auch Länder, die einen ganz anderen Ansatz verfolgen. Immer wieder bekommen wir in afrikanischen Staaten zu hören: China bietet uns das gleiche, aber ohne zusätzliche Auflagen zu fordern. Da stark zu bleiben und zu erklären, dass unser Ansatz auch aus der Perspektive des jeweiligen Landes der nachhaltigere ist – das ist unsere Aufgabe. Aber das erfordert einen langen Atem.
ROSENKRANZ: In der Batterie-Industrie müssen Sie grundsätzlich einen langen Atem haben, schon weil es sich um ein kapitalintensives Geschäftsmodell handelt.
GÖNNER: Für uns ist das Prinzip „Cradle-to-cradle“ ein wesentliches Zielbild. Dazu gehört die Grundüberzeugung, dass Produkte so entwickelt werden sollten, dass man die Materialien am Ende des Produktlebens zurückgewinnen kann. Wir sind aber weit von einem Punkt entfernt, wo wir deshalb keine Rohstoffe mehr importieren müssten.
ROSENKRANZ: Dem kann ich mich nur anschließen. Wenn wir in Europa bis 2050 CO2-neutral sein wollen, brauchen wir dafür mehr Energiespeicher, das heißt, wir reden auf jeden Fall über eine wachsende Rohstoffnachfrage für die Batterieproduktion. Durch Recycling können wir aber die Abhängigkeit von Primärrohstoffen verringern. Schon heute sammeln wir in der EU über ein Pfandsystem mehr als 97 Prozent der Bleibatterien ein. Jede neue Starterbatterie besteht zu 75 Prozent aus Blei, das schon einmal in einer anderen Batterie seinen Dienst verrichtet hat.
ROSENKRANZ: Das ist korrekt. Technisch ist ein stoffliches Recycling möglich, es wird allerdings aufwendiger als bei der Bleibatterie. Wir sind als europäischer Batteriehersteller aber zuversichtlich, dass es bis 2030 gelingt, gewichtsbezogen 60 Prozent aller Metalle zu recyceln. Das ist ein realistisches und durchaus ambitioniertes Ziel.
GÖNNER: Das kommt darauf an, ob an dem Stammtisch ein gepflegter Diskurs geschätzt wird. Unsere Aufgabe besteht unter anderem darin, dass die Kinderarbeit im Kongo weniger wird, aber natürlich können wir nicht mit Sicherheit behaupten, dass jegliches Kobalt in einem aktuellen Lithium-Ionen-Akku frei von Kinderarbeit ist. Ich würde gleiches aber auch nicht uneingeschränkt für jedes Bauteil in einem Dieselfahrzeug behaupten.
ROSENKRANZ: Ich teile Ihre Sicht. Das Elektroauto ist ein Wegbereiter für eine nachhaltige Mobilität und die Nutzung erneuerbarer Energien im Verkehr. Ich warne nur davor, sich als Anbieter oder Käufer eines Elektroautos moralisch auf ein zu hohes Ross zu setzen, denn das Elektroauto ist nur so grün wie der Strom, den es tankt, unabhängig von der Rohstoffversorgung. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber auch, dass die Industrie daran arbeitet, die Abhängigkeit von kritischen Materialien deutlich zu verringern.
Text: Johannes Winterhagen | Fotografie: Markus Hintzen
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