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28.10.2024

„Man muss spannende Geschichten erzählen“

Fast drei Viertel der Mittelständler tun sich mit der Nachfolge schwer. Nicht so das Familienunternehmen Beckhoff Automation, wo bald die nächste Generation übernimmt. Ein Gespräch mit Vater, Tochter und Sohn über die vielen Facetten von Nachhaltigkeit.

Chefsache

"Man muss spannende Geschichten erzählen"

Fast drei Viertel der Mittelständler tun sich mit der Nachfolge schwer. Nicht so das Familienunternehmen Beckhoff Automation, wo bald die nächste Generation übernimmt. Ein Gespräch mit Vater, Tochter und Sohn über die vielen Facetten von Nachhaltigkeit. 

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in einem Familienunternehmen wie Beckhoff?

Hans Beckhoff: Beckhoff Automation wurde vor 44 Jahren als Einmannunternehmen in einer Garage des elterlichen Handwerksbetriebs gegründet. Heute haben wir 5.600 Mitarbeiter und 40 Tochterfirmen in verschiedenen Ländern. Es gab eine kontinuierliche Unternehmensentwicklung, wobei der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung tatsächlich eine große Rolle spielt. Das bedeutet: Wir wachsen organisch, und wir wachsen harmonisch – treffen also Entscheidungen, die zu unserer Firmengröße passen. So haben wir es geschafft, konstant mit etwa 15 Prozent pro Jahr zu wachsen. Was die Zukunft betrifft: Wir sind ein Familienunternehmen, und wir wollen auch ein Familienunternehmen bleiben.

Frederike Beckhoff: Zur Nachhaltigkeit gehört für mich auch die Verantwortung, die wir als Familie für das Unternehmen sowie für unsere Kolleginnen und Kollegen haben. Für mich und meinen Bruder ist das ein ganz entscheidender Punkt: Wir wollen unsere Wurzeln und die daraus resultierenden Stärken bewahren, müssen gleichzeitig aber auch den nächsten Schritt gehen, um zukunftssicher aufgestellt zu sein. Denn mit vielen tausend Mitarbeitenden haben wir heute natürlich ganz andere Herausforderungen als mein Vater bei der Firmengründung.

Hans Beckhoff: Ganz wesentlich für ein Unternehmen sind auch nachhaltige Beziehungen mit seinen Kunden. Und darum bin ich sehr stolz darauf, dass die Kunden, mit denen ich vor 44 Jahren angefangen habe, heute immer noch unsere Kunden sind. Das gilt auch für die meisten Kunden, die wir vor 20 Jahren gewonnen haben. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie lautet: Wir liefern unseren Kunden nicht nur Soft- und Hardware, sondern bieten ihnen auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

War es Ihr Wunsch oder eher eine Pflicht, als nächste Generation ins Unternehmen zu gehen?

Frederike Beckhoff: Es wurde uns nie als Pflicht aufgebürdet. Unser Vater hat uns immer die freie Entscheidung gelassen, was wir machen wollen. Aber natürlich wird man mit diesem Unternehmen groß, es ist quasi das dritte Kind der Familie. Wir kennen die ganzen Menschen, seitdem wir kleine Kinder waren. Wir haben mit ihnen früher Fußball gespielt oder in der Kantine Zeit verbracht. Darum hatten wir auch Lust, in diese Familie einzutauchen und die Firma mitzugestalten – im gleichen Geist, der die ganze Zeit schon herrschte – und dieses Gefühl nachhaltig weiterzutragen.

Johannes Beckhoff: Nach meinem Physikstudium war ich schon ein bisschen traurig, die wissenschaftliche Welt zu verlassen. Aber am Ende habe ich mich dann auch fürs Unternehmen entschieden – und bereue es auch nicht, denn aus technologischer Sicht sind dieses Unternehmen und die Automatisierungstechnik nicht weniger herausfordernd und interessant als die Kern- und Teilchenphysik.


Herr Beckhoff, wie haben Sie es geschafft, Ihre Kinder fürs Unternehmen zu begeistern?

Hans Beckhoff: Man darf als Unternehmer nicht nach Hause kommen und jammern. Stattdessen muss man spannende Geschichten erzählen. Sonst können die Kinder ja keinen positiven Eindruck gewinnen. Natürlich habe ich die Realität im Unternehmen dargestellt – aber eben auch die wirklich tollen Möglichkeiten aufgezeigt, die man als Unternehmer hat. 


Sie haben schon angedeutet, dass sich das Unternehmen verändern muss. Gibt es schon neue Akzente, die die nachfolgende Beckhoff-Generation setzen will?

Frederike Beckhoff: Natürlich gibt es unterschiedliche Ansätze, weil ich, mein Bruder und unser Vater unterschiedliche Personen sind. Wir haben teilweise eine verschiedene Sicht auf die Welt, was uns aber insgesamt weiterbringt. So tragen manche Dinge inzwischen unsere „Handschriften“. Ich bin zum Beispiel gerne strukturiert und geradeheraus – hier kommt die Kauffrau in mir durch. Gleichzeitig gebe ich den Kolleginnen und Kollegen viel Freiheit. Wichtig ist hier aber, die Balance zu halten. Sonst gleitet man schnell ein bisschen ins „Chaos“ ab.

Johannes Beckhoff: Ich bin im Unternehmen mehr in der Technologie unterwegs. Dort trägt am ehesten unser neues Transportsystem auf Basis von Magnetschwebetechnologie, das ich mitentwickelt habe, meine Handschrift. Wichtiger ist aber vielleicht, dass ich nicht aus der Automatisierungstechnik komme. Darum hinterfrage ich viele als selbstverständlich betrachtete Dinge, vor allem aus technologischer Sicht. Oft höre ich: „Das war vor 30 Jahren der Stand der Technik, den wir seitdem weiterentwickelt haben.“ Aber natürlich haben sich die Technologien seitdem enorm verändert, und mit den Innovationen aus der Halbleiterwelt und der IT-Welt lassen sich auch die Aufgaben der Automatisierungstechnik neu lösen.
 

Die Probleme des Standorts werden im Moment intensiv diskutiert. Wie nachhaltig ist Ihr Bekenntnis zu Deutschland?

Hans Beckhoff: Das ist sehr ausgeprägt. Alle unsere Fertigungsstandorte sind in Deutschland, in Ostwestfalen oder in Unterfranken. Von dort aus beliefern wir die Welt. Jedoch sind wir gerade auch dabei, in China eine Produktion aufzubauen. China ist unser größter Auslandsmarkt und eine lokale Produktion bringt uns näher an unsere Kunden.

Frederike Beckhoff: Es ist gefährlich, wenn wir als Unternehmer nicht mehr an den deutschen Standort glauben – denn wer soll es dann noch tun? Natürlich muss man die kritischen Punkte adressieren, von denen es leider eine ganze Reihe gibt. Wenn wir alle aber anfangen, den deutschen oder europäischen Standort schlechtzureden, ist das wirklich gefährlich. In erster Linie für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Gesellschaft.

Hans Beckhoff: Außerdem arbeiten wir im Rahmen des ZVEI daran, Fehlentwicklungen in Deutschland und Europa entgegenzutreten. Wir sind auch deswegen Mitglied im Verband, weil wir dieses Sprachrohr unterstützen wollen – denn als Elektro- und Digitalindustrie werden wir nur als Gemeinschaft eines solchen Verbandes überhaupt gehört und ernst genommen.


Umweltschutz ist ein zentraler Aspekt von Nachhaltigkeit. Welche Chancen eröffnet Ihnen die „grüne“ Transformation der Wirtschaft?

Johannes Beckhoff: Unser Ziel ist es immer, die performanteste Steuerungstechnik für eine Maschine anzubieten. Bei uns heißt das vor allem: kurze Zykluszeiten an der Maschine. Kurze Zykluszeiten der Steuerung führen wiederum zu kurzen Reaktionszeiten der Maschine – wofür wir als Unternehmen auch bekannt sind. Und das ist ein großer Hebel für die Maschinenbauer, deren Applikation dadurch energie- und ressourcensparender wird. Wenn wir eine Aktion von zehn Millisekunden auf zwei Millisekunden, von zwei Millisekunden auf eine Millisekunde und von einer Millisekunde auf 250 Mikrosekunden reduzieren, werden mehr Teile pro Energieeinheit produziert. Das ist ein gutes ökonomisches und ökologisches Argument für unsere Kunden. So gesehen passen Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn und die Ökonomie sehr gut zueinander.

Hans Beckhoff: Wir profitieren auch davon, dass Automatisierung eine Querschnittstechnologie ist, die in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Im politisch westlichen Teil des Planeten müssen durch die Transformation praktisch alle Maschinen ersetzt werden, um den ökologischen Anforderungen zu genügen. Und im politisch südlichen Teil müssen Produktionskapazitäten erst einmal aufgebaut werden. Es ist eine große geschäftliche Chance, aber eine noch größere gesellschaftliche Aufgabe, die wir als Automatisierer lösen müssen und auch können.

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
Hans Beckhoff hat Beckhoff Automation 1980 gegründet. Seitdem produziert das Unternehmen mit weltweit rund 5.500 Mitarbeitern offene Automatisierungssysteme auf der Grundlage PC-basierter Steuerungstechnik und erzielte 2023 damit 1,75 Milliarden Euro Umsatz. In Zukunft werden die Kinder Frederike und Johannes Beckhoff mehr Verantwortung bei Beckhoff Automation übernehmen.
Zur Person Hans Beckhoff

Hans Beckhoff, 70, ist Geschäftsführer, Gesellschafter und Gründer der Beckhoff Automation GmbH & Co. KG in Verl und Mitglied des ZVEI-Vorstands. Er gründete das Unternehmen 1980 direkt nach seinem Physikstudium – in der Garage seiner Eltern. Seiner zweiten Leidenschaft blieb Hans Beckhoff auch als Unternehmer treu: Fußballspielen beim SC Verl.
Zur Person Friederike Beckhoff

Frederike Beckhoff, 30, ist Assistentin der Geschäftsführung bei Beckhoff Automation. Die studierte Volkswirtin legt großen Wert auf eine familiäre Atmosphäre und flache Hierarchien im Betrieb, wo alle Mitarbeitenden per Du miteinander sind. Auch sie wurde vom Fußballvirus erfasst und spielte beim SC Verl und beim FC Kaunitz.

Zur Person Johannes Beckhoff

Johannes Beckhoff, 28, hat sich von der Begeisterung seines Vaters anstecken lassen und ebenfalls Physik studiert. Im Unternehmen kümmert er sich vor allem um technische Fragen – und bringt dabei die Perspektive eines Quereinsteigers ein, um Themen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Auch er war als Fußballer beim SC Verl aktiv.

 

 

Text Christian Buck | Bilder Fabian Urban

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.2024 am 14. Oktober 2024 erschienen.

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