Der Mikroelektronik-Weltmarkt

Der Weltmarkt für Mikroelektronik boomt. Die Europäische Union hat das politische Ziel gesetzt, den Anteil Europas an der weltweiten Chipproduktion von unter 10 auf 20 Prozent zu steigern. Der Halbleitermangel belastet nahezu alle Branchen. Einige Ursachen zeigt die  ZVEI-Trendanalyse Mikroelektronik auf, die der ZVEI jährlich veröffentlicht. Über Jahre wuchs der Markt für Mikroelektronik mit durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr, wobei die Nachfrageschwankungen dem Auf und Ab der Weltwirtschaft stets etwas vorauseilten. Entsprechend hatten die Halbleiterproduzenten ihre Kapazitätsplanung ausgerichtet: Es wurden zwar laufend neue Werke eröffnet oder erweitert, doch Bau und Inbetriebnahme dauern mindestens anderthalb Jahre, so dass die Investitionsentscheidungen sich am langfristigen Trend orientierten. 

 

Mit der Pandemie stand die Weltwirtschaft plötzlich unter Schock und schrumpfte um 3,3 Prozent. Die weltweite Autoproduktion sackte gar von 79 auf 66 Millionen Fahrzeuge ab, dem niedrigsten Wert seit 2009. Ganz anders die Mikroelektronik: Im Gesamtjahr 2020 zeigte sie ein starkes Wachstum von 8,6 Prozent. Die Chiphersteller bedienten die Märkte, die auch während der Pandemie wuchsen, beispielsweise die Unterhaltungselektronik. Während die aktuellen Mangelerscheinungen durch Kapazitätsanpassungen mittelfristig zu beheben sind, stellen sich jetzt viele Experten eine ganz andere Frage: Ist der aktuelle Nachfrageschub in der Mikroelektronik von Dauer? Der ZVEI sieht Anzeichen dafür: Das Internet der Dinge ebenso wie die grüne und digitale Transformation stehen tatsächlich noch ganz am Anfang. Wenn künftig jedes Gerät von der Kaffee- bis zur Werkzeugmaschine vernetzt ist, werden noch viel mehr Chips und Bauelemente benötigt als heute.

Wer davon aktuell profitiert, zeigt der Trendreport ebenfalls. Allerdings gilt es genau hinzusehen. Auf den ersten Blick ist die weltweite Halbleiterproduktion fest in asiatischer Hand: Allein in China wurden 2020 rund 23 Prozent aller Halbleiter gefertigt. Nimmt man Taiwan, Japan und Südkorea hinzu, kamen 73 Prozent aller Chips aus asiatischen Fabriken. Auch große Medien berichteten in den letzten Monaten daher über die vermeintliche Dominanz asiatischer Chiphersteller. Übersehen wird dabei, dass US-amerikanischen sowie europäischen Unternehmen ein hoher Anteil an den Fabriken in China gehört. Jeder zweite Chip weltweit wird in einem Werk produziert, dass einem US-amerikanischen Unternehmen gehört. Das Land ist mit weitem Abstand die Weltmacht der digitalen Hardware. Chinesische Unternehmen sind mit fünf Prozent hingegen deutlich weniger bedeutend als europäische Anbieter, die auf neun Prozent kommen.

Die Europäische Union will den Ausbau der europäischen Chipproduktion fördern, sowohl aus industrie- als auch aus sicherheitspolitischen Gründen. Der Haken: Eine europäische Chipproduktion nur für die relativ kleinen Stückzahlen auszubauen, die in sicherheitskritischen Anwendungen wie Regierungsservern benötigt werden, ist nicht wirtschaftlich. Die hohen Investitionen in das Ökosystem Chipfertigung sind privatwirtschaftlich nur zu stemmen, wenn zusätzliche Märkte erschlossen werden können. Dies gilt insbesondere für Chips mit sehr kleinen Strukturen bis hinunter in den Zwei-Nanometer-Bereich. Sie erlauben es, 50 Milliarden Transistoren auf der Fläche eines Fingernagels unterzubringen.

Ende 2020 gab die EU-Kommission daher den Startschuss für ein zweites „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) für Semiconductors / Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien. Mit diesem Instrument, das einzelstaatliche Förderungen in einem Gesamtpaket zusammenfasst, waren bereits in der Vergangenheit signifikante Investitionen angestoßen worden. Es erlaubt über die Forschung hinaus trotz der Beihilferegeln der EU eine Förderung von Produktentwicklung und Produktionsanlauf. Die Herausforderung: Das Megaprojekt ist grundsätzlich offen für alle Unternehmen in allen Mitgliedsstaaten. Diese Vielfalt unter einen Hut zu bekommen, beschäftigt unter anderem den ZVEI in Brüssel. 
 

 

Mehr lesen Weniger lesen
Filter

15.04.2024

Entfesselt Europa!

Europa hat sich, seinen Bürgerinnen und Bürgern und seinen Unternehmen Fesseln angelegt – teils unnötig. Im internationalen…

22.05.2023

Niederlande

Im Mittelpunkt der Weltpolitik: ASML aus den Niederlanden macht die Chips kleinster Strukturgröße von Apple oder Nvidia erst möglich. Für die USA ist das niederländische Unternehmen darum der perfekte Hebel, um Chinas weiteren Aufstieg durch einen Lieferstopp zu bremsen.

27.03.2023

„Halbleiter sind unverzichtbar“

Energiewende, Elektrofahrzeuge, Energieeffizienz: Moderne Halbleiter spielen eine Hauptrolle beim Kampf gegen den Klimawandel. Europa ist dafür in vielen Bereichen hervor­ragend aufgestellt. Um künftig international wettbewerbsfähig sein zu können, wünscht sich Infineon-Vorstand Andreas Urschitz eine gezielte Förderung von Innovationen und eine aktive Standortpolitik. Der European Chips Act ist für ihn ein guter Anfang.

13.03.2023

Nachhaltig abhängig

Deutschland ist arm an Rohstoffen. Daher muss es die meisten Metalle und Erze einführen, die es auch für die Energiewende braucht. Daraus ergeben sich teilweise gewaltige Länderrisiken. So stammt ein Großteil der importierten seltenen Erden aus China und das meiste Lithium aus Chile. Darum hat der ZVEI Positionen zur Rohstoffstrategie erarbeitet und fordert unter anderem ein besseres Rohstoffmonitoring, den Ausbau von Rohstoffpartnerschaften und die Förderung einer Kreislaufwirtschaft.

22.02.2023

Der EU Chips Act auf der Zielgeraden

Der EU Chips Act, der vor einem Jahr von der EU-Kommission vorgelegt wurde und sich mittlerweile im Trilog zwischen EU-Kommission, Rat der Europäischen Union und Europäischem Parlament befindet, soll dieses Jahr verabschiedet werden. Er hat das Ziel, 20 Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion in Europa aufzubauen und einen Beitrag zur technologischen Souveränität Europas und somit auch Deutschlands zu leisten. Das Ziel ist im geopolitischen Kontext sehr wichtig für Europa, wenn auch aus Sicht des ZVEI sehr ambitioniert.

16.11.2022

EU Chips Act muss Beitrag zu technologischer Souveränität leisten

Der ZVEI unterstützt das Ziel der EU-Kommission, den europäischen Anteil an der weltweiten Wertschöpfung von Halbleitern zu erhöhen. Allerdings darf der EU Chips Act weniger als Kriseninstrument für die aktuell vorhandene Chipknappheit missverstanden werden, sondern sollte strategisch ausgerichtet sein. Diese strategische Ausrichtung des Chips Acts nimmt vor allem die technologische Souveränität Deutschlands und Europas in den Fokus.

15.04.2024

Entfesselt Europa!

Europa hat sich, seinen Bürgerinnen und Bürgern und seinen Unternehmen Fesseln angelegt – teils unnötig. Im internationalen…