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Europa & International
09.09.2021
Die Firmen konnten den Jahreswechsel 2020/2021 recht gut bewältigen, obwohl die Brexit-Verhandlungen bis zuletzt im Geheimen verliefen und erst am Weihnachtsabend beendet wurden. Hauptgrund dafür war, dass auf britischer Seite vorerst nur Zollverfahren zu chemischen Gefahrgütern sowie verbrauchsteuerpflichtigen Waren (Tabak, Alkohol, Kraftstoffe etc.) notwendig wurden.
Produkte der Elektroindustrie können noch bis zum 31. Dezember 2021 ungehindert nach Großbritannien eingeführt und die entsprechenden Unterlagen bis zu 176 Tage später nachgereicht werden.
Die verpflichtende Kennzeichnung mit der neuen UKCA-Markierung (anstelle von CE) wurde bis Ende 2022 - mit wenigen Ausnahmen - ausgesetzt. Die EU fordert dagegen bei der Einfuhr aus Großbritannien seit 1. Januar 2021 die Erfüllung sämtlicher Zollformalitäten und erhebt gegebenenfalls Zölle. Damit treten bei britischen Exporteuren die erwarteten bürokratischen Probleme schon jetzt auf. Auf deutscher Seite gab es nur vereinzelt Software-Probleme bei den Ausfuhrverfahren aus der EU, obwohl die Bestimmungen des Abkommens nur wenige Tage vor ihrer Anwendung bekannt gemacht wurden. So war die zolltechnische Sonderbehandlung Nordirlands anfangs kompliziert, da es keinen eigenständigen ISO-Ländercode gibt. In vielen Software-Programmen musste mit Hilfslösungen überbrückt werden, z.B. wurde übergangsweise die Postleitzahl von Belfast verwendet. Dadurch konnte verhindert werden, dass für Lieferungen nach Nordirland, das im EU-Binnenmarkt für Waren geblieben ist, unnötigerweise Ausfuhrzollerklärungen automatisch erstellt wurden.
Auf die Erhebung von Zöllen wird – für Ursprungswaren der EU und Großbritanniens – verzichtet. Die Erhebung von WTO-Zöllen auf diese Waren wurde verhindert, mehr aber auch nicht. Auf Drittlandswaren sowie gering veredelte Waren sind somit jetzt die üblichen WTO-Zölle zu zahlen. Es ist damit ein rein bilaterales Abkommen zwischen der EU und Großbritannien, so dass Ursprungswaren aller anderen Länder nicht mehr begünstigt ein- und ausgeführt werden können. Dies trifft z.B. nahezu alle übrigen europäischen Länder und Mittelmeer-Anrainerstaaten, die Teil der paneuropäischen Ursprungszone sind. Die sogenannte Ursprungskumulation mit diesem Wirtschaftsraum, der wesentlich größer als die 27 EU-Staaten ist, ging für Großbritannien ersatzlos verloren.
Das Freihandelsabkommen ist - für sich genommen - durchaus gut geworden und könnte als Blaupause für den Umgang der EU mit anderen Ländern dienen.
Im Falle Großbritanniens ist jedoch auch das beste Freihandelsabkommen nur ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass dafür die Zollunion, der Binnenmarkt und die paneuropäische Kumulation aufgegeben wurden.