10.06.2021
Die deutsche Elektroindustrie konnte zuletzt durchweg hohe zweistellige Zuwächse verbuchen. „Diese positive Entwicklung nehmen wir zum Anlass, unsere bisherige Produktionsprognose für die deutsche Elektroindustrie von plus fünf auf plus acht Prozent heraufzusetzen“, sagte Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. „Wir gehen damit davon aus, dass wir die Produktionseinbußen des vergangenen Jahres von minus sechs Prozent bereits im laufenden Jahr wieder einholen können.“ Das Geschäftsklima in der Branche ist stabil, gleichzeitig bleiben aber Risiken für die angehobene Prognose und die weitere konjunkturelle Entwicklung: „Die größte Herausforderung liegt derzeit in der Materialknappheit und in logistischen Problemen, wie Verzögerungen in der Lieferkette“, so Weber weiter.
Im April dieses Jahres lagen die Auftragseingänge 57 Prozent über dem entsprechenden Vorjahreswert. Gleichzeitig legten Produktion und Umsatz um 27 bzw. 29 Prozent zu. Diese extrem hohen Steigerungsraten gehen natürlich nicht zuletzt auf Basiseffekte zurück. So verbuchten die Unternehmen im April 2020, dem ersten kompletten Lockdown-Monat der Corona-Pandemie, ein kräftiges Auftragsminus. Die damaligen Rückgänge konnten jetzt allerdings mehr als wettgemacht werden.
Im Gesamtzeitraum von Januar bis einschließlich April dieses Jahres überstiegen die Auftragseingänge ihren Vorjahreswert um 24 Prozent. Die Produktion lag hier acht Prozent im Plus. Die aggregierten Branchenerlöse kamen in den ersten vier Monaten auf 63,9 Milliarden Euro, womit sie um fast neun Prozent höher lagen als vor einem Jahr.
Der Verband erkennt zudem erste Ansätze eines ‚Dekarbonisierungsbooms‘, der positive Auswirkungen auf die weitere konjunkturelle Entwicklung der Branche haben kann: Denn ohne Elektrifizierung und damit Elektrotechnik sind Klimaschutz, Nachhaltigkeit und eine CO2-neutrale Welt, nicht realisierbar. Der aktuell von der Politik diskutierte ‚Klimapakt Deutschland‘ ist hier eine wichtige Initiative – er kann sich auszahlen durch eine verbesserte CO2-Bilanz auf der einen Seite und Impulse für die Wirtschaft auf der anderen Seite.
Noch klafft jedoch zwischen den verschärften Zielen und ihrer Erreichung bis 2030 und 2045 eine gewaltige Lücke. Daher begrüßt der ZVEI, dass nun konkrete Maßnahmen folgen sollen. „Die Pläne der Bundesregierung für das Klimaschutz Sofortprogramm erkennen richtigerweise an, dass die neuen Klimaziele zu einem insgesamt deutlich höheren Bedarf an grünem Strom führen. Gleichzeitig ist der Strompreis in Deutschland der höchste im europäischen Vergleich, was vor allem an den Umlagen und Steuern liegt, die auf ihn anfallen. Unternehmen und Verbraucher werden so unverhältnismäßig belastet, Investitionen in strombasierte, klimaschonende Lösungen ausgebremst“, so Weber. Richtigerweise sieht der Klimapakt vor, die die EEG-Umlage auf null abzusenken. Aus Sicht des ZVEI sollte dies jedoch nicht erst bis Mitte der 2020er Jahre, sondern schneller erfolgen, um Investitionen in strombasierte Lösungen den nötigen Schub zu verleihen und damit fossile Energieträger zu verdrängen.
Zudem fordert der Verband die Regierung auf, eine umfassende Strategie vorzulegen, mit der neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch der Ausbau und die Digitalisierung der Stromnetze, Speicher und Flexibilität im Energiesystem sowie der Rollout intelligenter Zähler vorangetrieben werden kann. Die im Gebäudesektor geplante Verschärfung der Energiestandards und eine mögliche Solarpflicht bei Neubauten müssen durch entsprechende Investitions-Förderprogramme flankiert werden. Hier müssen auch die Möglichkeiten technischer Gebäudeausrüstung und der Digitalisierung für mehr Energieeffizienz vermehrt zum Tragen kommen. Dabei können auch die Chancen für intelligent gesteuerte Ladepunkte am Arbeitsplatz oder Zuhause genutzt werden. Auch im Industriesektor gilt es, neben der Elektrifizierung und dem Umstieg auf alternative Energieträger wie grünen Wasserstoff insbesondere solche Lösungen zu fördern, die die Energieeffizienz steigern. Sie ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.
„Wenn wir CO2 einsparen wollen, müssen wir alle technologischen Möglichkeiten dazu ausschöpfen. Das tun wir aktuell noch nicht wirklich“, erklärt Weber. „Wir müssen jetzt das Tempo anziehen, dringend nötige Reformen schnell beschließen und umsetzen – sonst bleiben die Beschlüsse nichts weiter als leere Klimaversprechen.“