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26.03.2020
Die durch das Coronavirus verursachte COVID-19-Pandemie stellt auch Hersteller, Errichter und Planer von Sicherheitstechnik vor eine Vielzahl konkreter Fragestellungen hinsichtlich der Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb. Diese Problemstellungen werden zunehmend im Markt thematisiert und als Anfragen an den ZVEI herangetragen. Auf dieser Seite möchten der Fachverband Sicherheit sowie die Arge Errichter und Planer des ZVEI daher einige der relevanten Fragen aufgreifen und mit dem nachfolgenden Q&A beantworten.
Die Ausführungen ersetzen dabei keine Rechtsberatung im Einzelfall, sollen aber Anhaltspunkte für die möglichen rechtlichen Auswirkungen und Verhandlungsparameter geben. Angesichts der gegenwärtigen Lage können mit Kunden, Behörden, Zertifizierern und anderen Teilnehmern im Markt pragmatische und konstruktive Vorgehensweisen und Arrangements erzielt werden. Dennoch sollte dabei die geltende Rechtslage nicht aus den Augen verloren werden.
Stand: 27. März 2020
Nach Art. 11 Abs. 3 EU-BauPVO ist der Hersteller verpflichtet, die vorgeschriebenen Verfahren anzuwenden, um auch im Rahmen der Serienfertigung die Beständigkeit der Leistung zu gewährleisten. Diese Verfahren sind im Anhang V der EU-BauPVO aufgeführt und werden in den harmonisierten Normen in Bezug genommen. Je nach anwendbarem Verfahren, muss die notifizierte Stelle die Leistungsbeständigkeit des Produktes u.a. im Rahmen einer laufenden Überwachung, Bewertung und Evaluierung der werkseigenen Produktionskontrolle prüfen. Eine solche Prüfung kann, insbesondere wenn sie z.B. eine vor-Ort-Prüfung beim Hersteller vorgesehen ist, ggf. zurzeit nicht ermöglicht werden. Sofern eine solche Überwachung aufgrund der Anordnung der jeweiligen harmonisierten Norm vorgeschrieben ist, können die Hersteller die Produkte faktisch nicht weiter verkaufen, da sie, indem sie die Beständigkeit der Leistung nicht durch das hierfür vorgeschriebene Verfahren sicherstellen, gegen Art. 11 Abs. 3 UA. 1 EU-BauPVO verstoßen und dies sogar gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 BauPG eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Die notifizierte Stelle stellt dem Hersteller zudem nach erfolgter Prüfung auch eine sog. Leistungsbeständigkeitsbescheinigung aus, auf welche der Hersteller in der Leistungserklärung Bezug nehmen muss (siehe Muster Anhang III EU-BauPVO). Sofern die Überwachung innerhalb der festgelegten Prüfung nicht erfolgt, kann diese Bescheinigung entzogen werden und jede Nutzung der Bescheinigung bzw. jede Bezugnahme durch die notifizierte Stelle untersagt werden. Sie darf dann auch nicht mehr in der Abschrift der Leistungserklärung in Bezug genommen werden.
Entsprechende Probleme stellen sich auch im Anwendungsbereich anderer Produktharmonisierungsrechtsakte. Auch produktunabhängige Zertifizierungen (z.B. für Managementsysteme, etc.) können in Folge der unterlassenen Überwachung erlöschen.
Die DAkkS, welche für die Akkreditierung der notifizierten Stellen in Deutschland zuständig ist, hat zu der Situation im Zusammenhang mit etwaigen Zertifizierungen eine Pressemitteilung veröffentlicht. Dabei empfiehlt sie den notifizierten Stellen, das angehängte Informationspapier des International Accreditation Forums entsprechend anzuwenden. Darin werden Kriterien für die Erstellung von Alternativprozessen genannt. Diese Alternativprozesse legt die notifizierte Stelle anhand der genannten Kriterien fest. Daraus ergibt sich, dass jede notifizierte Stelle anders mit der Situation umgehen kann. Eine weitere Pressemitteilung zum Thema wurde von der European Co-Operation for Accreditation (EA) veröffentlicht.
Die betroffenen Hersteller, bei denen Überwachungstermine, Re-Zertifizierungen, etc. anstehen, sollten sich – unabhängig von einer einheitlichen politischen Lösung – mit der jeweiligen notifizierten Stelle in Verbindung setzen bzw. deren Maßnahmenkatalog checken. Möglicherweise enthält auch die jeweilige Zertifizierungsvereinbarung zwischen dem Hersteller und der notifizierten Stelle eine Regelung hierzu. Ggf. können die Audits verschoben werden oder ein Alternativverfahren eingesetzt werden.
Die Nichterfüllung gesetzlich vorgeschriebener Prüfpflichten kann für den jeweils Verantwortlichen zunächst zu weitreichenden öffentlich-rechtlichen Konsequenzen führen. Inwiefern solche vor dem Hintergrund der Corona-Krise tatsächlich zu befürchten sind, kann gegenwärtig nicht mit abschließender Sicherheit bewertet werden. Gesetzlich vorgeschriebene Prüfpflichten sind dem öffentlichen Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen. Dieses ist trotz der erheblichen Auswirkungen der Corona-Krise weiterhin anzuwenden und durchzusetzen. Zu beachten ist jedoch, dass bei entsprechenden öffentlich-rechtlichen Maßnahmen und auch der Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren die zuständigen Behörden immer sämtliche Umstände des Einzelfalles berücksichtigen müssen.
Dabei ist zu erwarten, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise angemessen Berücksichtigung finden. So kann die zuständige Ordnungsbehörde beispielsweise im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung vorerst bei Abwägung aller Interessen davon absehen, öffentlich-rechtliche Anordnungen zu treffen. Auch bei der Verhängung von Bußgeldern können die Auswirkungen der Corona-Krise dahingehend berücksichtigt werden, dass ein Bußgeld aufgrund von „Billigkeitserwägungen“ nicht verhängt wird oder ein Bußgeldverfahren erst gar nicht eingeleitet wird. In jedem Fall sollte in Fällen, in denen Corona-bedingt erforderliche Prüfungen nicht vorgenommen werden können, das Gespräch mit der zuständigen Behörde gesucht werden.
1. Bauordnungsrechtliche Auswirkungen
Die Errichtung und Instandhaltung von sicherheitsrelevanten technischen Anlagen ist grundsätzlich nur für Sonderbauten bauordnungsrechtlich notwendig. Zugleich besteht eine bauordnungsrechtliche Pflicht zur Durchführung regelmäßiger Prüfungen der sicherheitsrelevanten technischen Anlagen. Diese Verpflichtung wird auf Landesebene in bauordnungsrechtlichen Rechtsverordnungen geregelt. Zu nennen sind hier beispielsweise die Berliner Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (BetrVO Bln) oder auch die nordrhein-westfälische Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und wiederkehrende Prüfungen von Sonderbauten (PrüfVO NRW). Zur Durchführung der regelmäßigen Prüfungen (auch wiederkehrende Prüfungen genannt) ist zum Teil der Betreiber oder Bauherr (vgl. z. B.: § 2 Abs. 1 BetrVO Bln) oder nur der Betreiber des Sonderbaus verpflichtet (vgl. z. B § 2 Abs. 1 Nr. 2 PrüfVO NRW).
a) Bauordnungsrechtliche Ordnungswidrigkeit
Werden die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen der sicherheitsrelevanten technischen Anlagen von dem Bauherrn oder Betreiber des Sonderbaus nicht frist- und ordnungsgemäß durchgeführt, stellt dies nach sämtlichen Rechtsverordnungen eine Ordnungswidrigkeit dar.
b) Bauordnungsrechtliche Maßnahmen
Die frist- und ordnungsgemäße Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen soll letztlich die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Brandschutzbestimmungen sicherstellen (vgl. z. B.: § 14 BauO Bln) und wird von den zuständigen Bauaufsichtsbehörden überwacht. Werden die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen nicht frist- und ordnungsgemäß durchgeführt, kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die zur Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Brandschutzbestimmungen notwendig sind. Hierzu gehört etwa die Anordnung der rechtskonformen Durchführung der Prüfungen bis hin zum Erlass einer Nutzungsuntersagung. Auch diese Entscheidungen stehen jedoch stets im Ermessen der jeweiligen Bauaufsicht.
Bei der Errichtung von Sonderbauten können besondere Anforderungen an die brandschutzrechtliche Sicherheit der baulichen Anlage gestellt werden (vgl. z. B.: § 51 Bau Bln). Hierzu können unteranderem die Festlegungen der DIN VDE 0833-1 gehören, die als allgemein anerkannte Regel der Technik die Planung, Errichtung, Erweiterung, Änderung und den Betrieb von sicherheitsrelevanten technischen Anlagen regelt. Die beabsichtigte Umsetzung der DIN VDE 0833-1 kann auch in Brandschutzkonzepten verankert sein. Das Brandschutzkonzept wird wiederrum Inhalt der erteilten Baugenehmigung. In Betracht kommt daher auch, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde die Umsetzung der Prüfungen im Falle einer Nichterfüllung entsprechend der DIN VDE 0833-1 bauordnungsrechtlich anordnet.
c) Bauordnungsrechtlicher Adressat
Adressat etwaiger bauordnungsrechtlicher Maßnahmen oder gar Bußgeldbescheide ist ausschließlich der Bauherr oder Betreiber des Sonderbaus. Sofern also Mitgliedsunternehmen des ZVEI im Auftrag des Bauherrn oder Betreibers tätig werden, um die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen vorzunehmen, dürfte nicht damit zu rechnen sein, dass diese Mitgliedsunternehmen bei etwaigen Verstößen gegen die bauordnungsrechtliche Prüfpflicht öffentlich-rechtlich in Anspruch genommen werden.
2. Zivilrechtliche Auswirkungen bei Nichterfüllung der gesetzlich vorgeschrieben Prüfpflichten
Die Nichterfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen kann aus zivilrechtlicher Sicht allenfalls haftungsrechtliche Auswirkungen im Zusammenhang mit einer deliktischen Haftung nach § 823 BGB haben. Vertraglich vereinbarte Prüfungen oder Wartungsintervalle werden hingegen unten unter B. betrachtet.
a) Haftungsrechtliche Auswirkungen für den Eigentümer bzw. Betreiber von Sonderbauten
Für Eigentümer bzw. Betreiber von Sonderbauten können bei Nichtdurchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen sicherheitsrelevanter technischer Anlagen durchaus erhebliche haftungsrechtliche Konsequenzen entstehen. Denn sowohl Eigentümer als auch Betreiber von Sonderbauten müssen weitreichende Verkehrssicherungspflichten erfüllen. Hierzu gehört beispielsweise die Pflicht zur Minimierung einer abstrakten Brandgefahr durch Errichtung, Prüfung und Instandhaltung von sicherheitsrelevanten technischen Anlagen. Werden etwaige Mängel an diesen Anlagen aufgrund von unterlassenen Prüfungen übersehen und führt dies kausal zu Schäden bei Dritten, kann im Unglücksfall eine deliktische Haftung nach § 823 BGB begründet sein.
Die eben beschriebenen Verkehrssicherungspflichten dürften jedenfalls mit der Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen erfüllt werden. Nicht erforderlich dürfte hingegen unter Aspekten der Verkehrssicherung sein, dass sämtliche vertraglich vereinbarten Prüfungsleistungen erbracht werden. Dies gilt insbesondere für solche vertraglichen Prüfungsleistungen, die über dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen liegen und auch über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgehen.
b) Haftungsrechtliche Konsequenzen für Mitgliedsunternehmen des ZVEI
Vertragliche Konsequenzen (z. B.: vertragliche Schadensersatzansprüche) dürften sich nicht ergeben, sofern die vertraglich vereinbarten Prüfungen wegen einer Zugangsvereitelung des Gläubigers nicht durchgeführt werden konnten. Entsprechendes sollte auch für eine deliktische Haftung nach § 823 BGB gelten. Zwar kann die Erfüllung der eben beschriebenen Verkehrssicherungspflichten vom jeweiligen Eigentümer oder Betreiber auch auf Mitgliedsunternehmen des ZVEI übertragen werden. Wenn die Nichterfüllung der Verkehrssicherungspflichten jedoch auf einer Zugangsvereitelung beruht, führt dies regelmäßig zum Ausschluss einer deliktischen Haftung, da die Nichterfüllung der Verkehrssicherungspflichten dann als unverschuldet anzusehen ist.
Um etwaige Haftungsrechtliche Konsequenzen abzufangen, könnte im Falle einer Zugangsvereitelung nach Möglichkeit der Abschluss einer Haftungsfreistellung mit dem jeweiligen Vertragspartner angestrebt werden. Die Zugangsvereitelung ist unabhängig davon in jedem Falle zu dokumentieren, da hiermit bewiesen werden kann, dass keine vertragliche bzw. deliktische Haftung des Mitgliedunternehmens gegeben ist.
Welche zivilrechtlichen Auswirkungen eine etwaige Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Prüfpflichten hat, dürfte sich ausschließlich aus den jeweiligen vertraglichen Regelungen sowie den allgemeinen Bestimmungen des BGB ergeben. Die eben beschriebenen öffentlich-rechtlichen Vorgaben können in dieser Hinsicht nur als Auslegungsgrundlage für unbestimmte vertragliche Vereinbarungen dienen.
Die nachfolgende rechtliche Bewertung erfolgt mangels Kenntnis der jeweils getroffenen vertraglichen Vereinbarungen anhand der allgemeinen Bestimmungen des BGB. Im Einzelfall können sich selbstverständlich Abweichungen ergeben, die auf spezielle vertragliche Vereinbarungen beruhen.
1. Entstehung und Anpassung der Vergütungsansprüche
Nach zivilrechtlicher Betrachtung sind die Mitgliedsunternehmen des ZVEI (als Auftragnehmer) verpflichtet, die vereinbarten Prüfungen vertragsgemäß zu erbringen. Wird die vertraglich vereinbarte Prüfung nicht vorgenommen, weil der Auftraggeber den Zugang zu den zu prüfenden technischen Anlagen verweigert, richten sich die Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch nach der rechtlichen Einordnung des abgeschlossenen Vertrages.
Bei Wartungs- und Instandhaltungsverträgen handelt es sich nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig um Werkverträge. Liegt ein Werkvertrag vor, wird der Vergütungsanspruch erst nach Abnahme im Sinne von § 640 BGB und damit nach Durchführung der vereinbarten Prüfungen fällig. Für die Durchführung der Prüfungen ist jedoch eine Mitwirkung des Auftraggebers notwendig. Denn dieser muss den Zugang zu den prüfpflichtigen technischen Anlagen eröffnen. Verweigert der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Zugang zu den prüfpflichtigen technischen Anlagen, kommt er wiederrum in den sog. Annahmeverzug, was zur Entstehung eines Entschädigungsanspruches nach § 642 BGB führt. Auch hier muss sich der Auftragnehmer jedoch insbesondere ersparte Aufwendungen anrechnen lassen.
Sollte die Corona-Krise für den Auftragnehmer zu erhöhten finanziellen Aufwendungen bei der Durchführung der vereinbarten Prüfungen führen, kann gegebenenfalls versucht werden, den vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruch nachträglich anzupassen. Ansprüche auf Ersatz der finanziellen Mehraufwendungen ergeben sich jedenfalls nicht ohne entsprechende vertragliche Anpassungen.
Wenn die VOB/B in den Werkvertrag einbezogen wurde, gelten weitere Besonderheiten. Grundsätzlich ist der Auftragnehmer verpflichtet, innerhalb der vertraglich vereinbarten Fristen mit den Arbeiten zu beginnen bzw. diese fertigzustellen (§ 5 VOB/B). Ist der Auftragnehmer an der Ausführung der Arbeiten gehindert, sollte er dies dem Auftraggeber gegenüber schriftlich anzeigen (§ 6 Abs. 1 VOB/B) sowie die Gründe für die Behinderung dokumentieren. Die Ausführungsfristen können gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B u.a. in Fällen von höherer Gewalt zudem verlängert werden. Der Begriff der höheren Gewalt wurde von der Rechtsprechung definiert als von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das unvorhersehbar ist, selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmers nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit von dem Unternehmer in Rechnung zu stellen und mit in Kauf zu nehmen ist. „Unabwendbare Umstände“ in diesem Sinne sind solche Ereignisse, die nach menschlicher Einsicht und Erfahrung so unvorhersehbar sind, dass die Auswirkungen trotz wirtschaftlich erträglicher Mittel durch die äußerste nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhütbar oder in seinen Wirkungen bis auf ein erträgliches Maß unschädlich zu machen sind. In Anwendung dieser Grundsätze, liegt jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem mit Ausfällen in Folge der Corona-Pandemie zu rechnen war, keine höhere Gewalt mehr vor. Eine Verlängerung der Ausführungsfristen kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Verträge bereits vor dem Ausbruch der Pandemie abgeschlossen wurden. Selbst bei diesen Verträgen muss es aber zu Ausfällen, z.B. bei der Materialbeschaffung oder dem Ausfall von Arbeitskräften kommen, die das gewöhnliche Maß deutlich übersteigen und daher nicht mehr vom gewöhnlichen wirtschaftlichen Risiko des Auftragnehmers gedeckt sind. Der in § 6 Abs. 6 VOB/B geregelte Schadensersatzanspruch wird regelmäßig entfallen, da die Behinderung weder vom Auftraggeber noch vom Auftragnehmer verschuldet ist. Besteht die Unterbrechung der Arbeiten länger als drei Monate, können beide Vertragsparteien den Vertrag kündigen. Der Auftragnehmer kann dann ggf. zusätzlich den Abbau der Baustelleneinrichtung abrechnen (§ 6 Abs. 7 VOB/B).
2. Möglichkeit der Durchführung der vereinbarten Prüfungen trotz Corona-Krise
Die eben beschriebenen Zahlungsansprüche entstehen nicht, sofern die Durchführung der vereinbarten Prüfungen „unmöglich“ im Sinne von § 275 BGB ist. Denn in diesem Falle würde der Vergütungsanspruch wegen § 326 Abs. 1 BGB vollständig entfallen. Das aufgrund der Corona-Krise eine Unmöglichkeit im Rechtssinne besteht, scheint jedoch eher fernliegend, gleichwohl dies im jeweiligen Einzelfall zu betrachten ist. Wahrscheinlicher ist es, dass der Auftraggeber auch nach Ablauf einer Wartungsfrist weiterhin ein Interesse an der Wartung hat. Insoweit würde der Auftragnehmer rechtlich in Verzug geraten können, den er jedoch vielfach nicht zu vertreten haben dürfte, was einen Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz eines Verzugsschadens ausschließen würde.
Andererseits dürfte es auch eine Reihe von Sonderbauten geben, bei denen sich diese Frage nicht stellt. Dies gilt insbesondere für Sonderbauten, die aufgrund der Corona-Krise keinen Publikumsverkehr mehr haben (z. B.: Schwimmbäder, Versammlungsstätten, Kinos). Denn bei diesen Sonderbauten dürfte eine Zugangsöffnung zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Prüfungen ohne weiteres möglich sein. Für weiterhin geöffnete Sonderbauten dürfte entsprechendes gelten. So bestehen nach bisherigem Kenntnisstand keine allgemeinen Betretungsverbote. Die Durchführung der vereinbarten Prüfungen dürfte zudem auch bei streng geschützten Gesundheitseinrichtungen (z. B.: Krankenhäuser, Pflegeheime) möglich sein. Gegebenenfalls müssen jedoch Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die eine Ansteckungsgefahr minimieren.
3. Vertragliche Rücksichtnahmepflichten
Bei der Durchführung der vereinbarten Prüfungen müssen die Vertragsparteien ihre vertraglichen Rücksichtnahmepflichten berücksichtigen und erfüllen. Diese können ausdrücklich vereinbart werden, ergeben sich andernfalls jedoch unmittelbar aus § 241 Abs. 2 BGB.
In dieser Hinsicht kann insbesondere erforderlich werden, die Durchführung der vereinbarten Prüfungen vor dem Hintergrund der Corona-Krise abzusprechen. Gegebenenfalls müssen sich Mitgliedsunternehmen des ZVEI darauf einstellen, erhebliche Sicherheitsvorkehrungen zu beachten, um die Ansteckungsgefahr bei der Durchführung der Prüfungen zu verringern.
Gegenwärtig sollte die Durchführung der Prüfungen an den technischen Anlagen innerhalb von streng geschützten Gesundheitseinrichtungen weiterhin möglich im Sinne von § 275 BGB sein. Ausnahmen dürften allenfalls für prüfpflichtige technische Anlagen bestehen, die sich in Quarantänebereichen befinden.
Aus zivilrechtlichen Gesichtspunkten (§ 241 Abs. 2 BGB) hat die Kommunikation mit dem Eigentümer bzw. Betreiber des Sonderbaus gegenwärtig eine erhebliche Bedeutung. Vertraglich vereinbarte Prüfungen, die über dem liegen, was gesetzlich vorgeschrieben ist, sollten gegebenenfalls in Absprache mit dem Eigentümer bzw. Betreiber des Sonderbaus verschoben werden. Die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen sollten jedoch weiterhin frist- und ordnungsgemäß erfolgen. Die hierfür erforderliche Zugangseröffnung sowie etwaige Anforderungen für die Durchführung der Prüfungen sollten im Vorfeld mit dem Eigentümer bzw. Betreiber des Sonderbaus abgesprochen werden.
Aus Beweiszwecken ist empfehlenswert, die im Vorfeld getroffenen Absprachen schriftlich bzw. elektronisch per E-Mail festzulegen. Dies gilt ebenfalls für das „Anbieten“ der vertraglich geschuldeten Prüfungen sowie der Zugangsverweigerung durch den Gläubiger, da ab diesem Zeitpunkt Vergütungsansprüche nach den §§ 615, 642 BGB entstehen können. Darüber hinaus sollte dokumentiert werden, welche Behinderungen durch die Corona-Pandemie verursacht wurden, um ggf. einen Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen belegen zu können. Auch wenn Schadensersatzansprüche regelmäßig aufgrund des fehlenden Verschuldens entfallen, sollten durch die Corona-Pandemie entstehende Mehrkosten ggf. zusätzlich dokumentiert werden.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat über einen Erlass Stellung genommen zu Fragen rund um die Einhaltung von Bauverträgen, Verzögerungen etc. bei Baumaßnahmen im Auftrag des Bundes. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Geltung gegenwärtig auf Baumaßnahmen des Bundes beschränkt ist; im Zweifelsfall liefert die hier vorgesehene Verfahrensweise aber Argumentationshilfe auch in anderen Fällen.
Die wesentlichen Punkte sind:
Download: BMI-Erlass "Corona-Pandemie und bauvertragliche Fragen" (23. März 2020)