Termine
14.12.2021
Der Workshop des ZVEI am 03. November 2021 informierte über aktuelle politische und regulatorische Entwicklungen und beleuchtete das Konzept des Datentreuhänders aus verschiedenen Perspektiven. Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde anhand von Anwendungsbeispielen aus den ZVEI-Leitmärkten die praktische Umsetzung für den industriellen Kontext veranschaulicht. Zu diesem Zweck diskutierten externe Gäste und Expertinnen und Experten aus der Elektro- und Digitalindustrie gemeinsam in Berlin.
Die Bedeutung verschiedener Modelle für eine verbesserte Datennutzung und gestiegenes Datenteilen zwischen industriellen Akteuren gewinnt immer weiter an Bedeutung. Um die Potenziale von Daten zu heben und den multilateralen Austausch zu fördern sind hierbei verschiedene Konzepte denkbar. „Datentreuhänderische Dienste“ sind hierbei ein mögliches Konzept für den unternehmensübergreifenden Austausch von Daten. Sie können dabei helfen, einen selbstbestimmten, sicheren und vertrauenswürdigen Datenaustausch zu gewährleisten. Im industriellen Kontext bestehen je nach Sektor und je nach Anwendungskontext jedoch spezifische Anforderungen an Interoperabilität, Daten-Governance oder Datenschutz, die es bei der Ausgestaltung datentreuhänderischer Dienste zu berücksichtigen gilt.
Auf europäischer Ebene stehen die Verhandlungen zum Data Governance Act (DGA) auf der Zielgeraden. Der Gesetzesentwurf vom Dezember 2020 soll Anforderungen für sogenannte „Datenintermediäre“ schaffen, die Weiterverwendung bestimmter öffentlicher Daten erleichtern und den Datenaltruismus fördern. Mit dem erst kürzlich veröffentlichten Kompromisstext zum DGA liegt damit ein erster Regulierungsrahmen für Datenvermittlungsdienste vor. Auch die neue Bundesregierung nimmt im Koalitionsvertrag im Rahmen eines potentiellen Datengesetzes Bezug auf Instrumente wie „Datentreuhänder, Datendrehscheiben und Datenspenden“.
Die Initiative für den Workshop zu Datentreuhändern im industriellen Kontext geht zurück auf zahlreiche Diskussionen zur Thematik im ZVEI-Arbeitskreis Datenwirtschaft und Künstliche Intelligenz. Auf Grundlage dieser Vorarbeiten soll die Diskussion um Datenaustauschmodelle auf der Veranstaltung intensiviert und die Verbandspositionierung weiter geschärft werden. Herr Dr. Sicco Lehmann-Brauns, Sprecher des AK Datenwirtschaft & KI und Nils Scherrer, Manager Political Affairs & Digitalisierung leiten gemeinsam durch die Veranstaltung.
2.1. „Datentreuhänder“ – Welche Rolle spielt er im industriellen Kontext?
Dr. Lehmann-Brauns, ZVEI/Siemens AG
2.2. Datentreuhänder im industriellen Kontext: Rechtliche Perspektive
Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, Universität Bonn
2.3. Datentreuhänder im industriellen Kontext: Wirtschaftliche Perspektive
Aline Blankertz, Stiftung Neue Verantwortung
Industrie 4.0 – Datentreuhänder-Funktionen im Teilmodell der Verwaltungsschale
Michael Jochem, Bosch
Der Use Case „Collaborative Condition Monitoring“ verdeutlicht, dass die Industrie bereits technische Lösungsbausteine besitzt, um über Unternehmensgrenzen hinweg, multilateral Daten zu teilen und dabei einen unternehmerischen Mehrwert zu schaffen. Wichtig ist eine Orientierung am tatsächlichen Geschäftsmodell. Die TeilnehmerInnen identifizieren zahlreiche Hemmnisse industriellen Datenteilens, die es vor der Einführung eines Datentreuhänders zu lösen gilt: Fehlende Standards, unterschiedliche Schnittstellen oder Daten-Monetarisierung stehen häufig vor der Entscheidung über das Datenaustauschmodell und verhindern Skalierung und Kooperation.
Gesundheit – Treuhänder für Forschungsdaten / Patientendaten: CenTrust
Rosemarie Hinsch / Jonas Kotzott, Bundesdruckerei (CenTrust)
Der Use Case CenTrust zeigt die Besonderheiten von Datentreuhändern im Kontext sensibler personenbezogener Daten. Hier kann der Datentreuhänder auf Basis der Einwilligung des Datengebers einen erheblichen Mehrwert bieten durch Aufbereitung, Verschlüsselung oder Verknüpfung von Datensätzen aus einer Vielzahl an Datenquellen. Die TeilnehmerInnen betonen Vorteile eines neutralen und vertrauenswürdigen Dritten im Gesundheitssektor, sehen jedoch auch Risiken zum Beispiel im Umgang mit zurückgezogener Einwilligung.
Zur Abschlussdiskussion finden sich die Teilnehmer:innen im interaktiven Format in zwei Gruppen zusammen und sammeln Inputs entlang der diskussionsleitenden Frage: Was sind aus Ihrer Sicht Kernpunkte für eine ZVEI-Positionierung zum Thema Datenteilungsmodelle und Datentreuhänder?
Ergebnisse:
Sektorspezifische Betrachtung
o Einsatz von Datentreuhändern nur in limitierten Konstellationen sinnvoll, z.B. im Gesundheitsbereich bzw. Umgang mit Patientendaten
Ganzheitliche Betrachtung verschiedener Datenteilungsmodelle
o Datentreuhänder ist nur eine mögliche Gestaltungsform und bietet in der industriellen Anwendung häufig keinen Mehrwert
o Orientierung an Geschäftsmodell und Use Cases Anreizbasierte Regulierung
o Staatliche Finanzierung von Datenteilungsmodellen → Förderung von Forschung und Entwicklung, Reallabore ermöglichen
o Europäischer und harmonisierter Ansatz, Prinzip der Freiwilligkeit
o Bestehende Dienste/Plattformen nicht durch hohe Anforderungen einschränken
Offenheit bei der Governance von Datentreuhändern
o Öffentliche und private Umsetzung ermöglichen
o Wirtschaftliches Eigeninteresse/Gewinnerzielung ermöglichen, v.a. in Bezug auf angebotene Services wie Verschlüsselung, Anonymisierung / Pseudonymisierung
Rechtssicherheit schaffen und bestehende Hemmnisse beseitigen
o Hemmnisse für Datenkooperation abschaffen, v.a. Datenschutz- und Kartellrecht
o Interoperabilität, gemeinsame Schnittstellen und Monetarisierung sind häufig Grundvoraussetzungen für den Datenaustausch, die zuerst erfüllt sein müssen