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30.07.2024

CBAM: Längst noch kein ausgereiftes Instrument

Am 31. Juli 2024 endet für mehrere 10.000 Unternehmen in Deutschland zum nunmehr dritten Mal die Frist für die Einreichung der CBAM-Quartalsberichte. Die betroffenen Unternehmen wie auch die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) als nationale Aufsichtsbehörde haben zwar in den vergangenen Monaten die notwendigen Prozesse entwickelt. Es ist aber wie derzeit leider viel zu oft, wenn man auf europäische Regulierungen schaut: Gut gemeint und mit schlüssiger Begründung für eine europäische Regelung, aber in der Umsetzung hapert es gewaltig und hinterlässt bei den von der Regulierung Betroffenen große Fragezeichen (wie die neuen Vorgaben umzusetzen sind) bis hin zu massiven Kopfschmerzen (ob der tatsächlichen Wirkung).

Ziele und Wirkung des CBAM

Um die Verlagerung von Produktion in Regionen mit weniger ambitionierten Klimazielen und -maßnahmen (Carbon Leakage) zu verhindern, soll der CO2-Grenzausgleichsmechanismus, kurz CBAM, den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) ergänzen und sicherstellen, dass für Importe die gleichen mit Treibhausgasemissionen verbundenen Kosten anfallen wie für Produkte, die innerhalb der EU hergestellt wurden. Die erdachte Lösung: Unternehmen, die bestimmte Waren aus Nicht-EU-Ländern in die EU einführen, müssen die bei der Herstellung dieser Waren entstandenen Emissionen ermitteln und ab 2026 in entsprechender Höhe sogenannte CBAM-Zertifikate kaufen. Hierdurch soll der klimapolitisch induzierte Kostennachteil europäischer Hersteller ausgeglichen werden.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, von vier theoretisch unterscheidbaren Produktkategorien ist ein Carbon Leakage-Schutz – wenn überhaupt – nur für Importe von Upstream-Produkten in die EU absehbar, also für Produkte und Halbzeuge zur Weiterverarbeitung (beispielsweise Aluminiumblech), die in den CBAM-Anwendungsbereich fallen. Hier würde der CBAM ab 2026 das Kostengefälle zwischen in der EU unter hohen Klimaschutzstandards hergestellten Waren und solchen aus dem EU-Ausland ausgleichen. Für den Export von in der EU hergestellten Upstream-Produkten, den Import von Downstream-Produkten, also fertige Waren für den B2B- oder B2C-Handel (beispielsweise Weiße Ware) und den Export von in der EU hergestellten Downstream-Produkten wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie jedoch nicht gesichert – im Gegenteil verschärft sich deren Wettbewerbssituation durch in der EU weiter steigende „Klimaschutzkosten“ zunehmend. Dies gilt insbesondere für exportstarke und wettbewerbsintensive Unternehmen und Branchen, da die Herstellung in Deutschland unmittelbar durch ETS-relevante Vorprodukte oder mittelbar durch CBAM-relevante Vorprodukte verteuert wird und dadurch Kostennachteile gegenüber Herstellern aus Drittländern weiter wachsen. Nicht nur, dass der CBAM für diese drei Bereiche bislang keinerlei Antworten liefert, belastet er durch seine Vorgaben sogar noch die hier tätigen Unternehmen.

Weiterhin große Herausforderungen in der Umsetzung

Bereits vor der Vollanwendung des CBAM und dem Erwerb der dann notwendigen CBAM-Zertifikate ergeben sich zahlreiche Probleme. Die verpflichtende Einreichung von CBAM-Berichten stellt eine erhebliche administrative Hürde für betroffene Unternehmen, vor allem für KMU, dar. Sie müssen für jedes aus dem außereuropäischen Ausland importierte und vom CBAM-umfasste Produkt ab einem Warenwert von 150 Euro pro Sendung die Informationen beibringen, in welcher Höhe direkte und indirekte Emissionen bei dessen Herstellung freigesetzt wurden. Der Aufwand für Datenbeschaffung und -handling mit etwa 200 Datenfeldern pro Produkt und Quartal ist immens. In nicht wenigen Fällen, gerade auch in der Elektro- und Digitalindustrie, stehen einem jährlichen „Import“ von einigen wenigen Tonnen CO2 in CBAM-relevanten Produkten (und damit wenige hundert Euro CO2-Kosten) mehrere 10.000 Euro administrativer Aufwand gegenüber.

Bis zum aktuellen Quartalsbericht konnten hiesige Unternehmen zumindest auf vorgegebene Standardwerte zur Berechnung der direkten und indirekten CO2-Emissionen zurückgreifen. Mit dem im August 2024 beginnenden neuen Berichtsquartal wird auch dieser Weg verstellt und Importeure müssen die Emissionen der im EU-Ausland hergestellten Produkte weitestgehend selbst berechnen, wobei sie auf Informationen und vor allem gemessene Emissionswerte von ihren Zulieferern angewiesen sind. Die Qualität der Daten ist für hier ansässige und diese Produkte importierende Unternehmen, zumal KMU, nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus stellt die Berechnung der "eingebetteten" CO2-Emissionen auch für Lieferanten in Drittländern eine große Herausforderung dar. Es ist zu erwarten, dass Lieferanten die Kosten an die europäischen Importeure weitergeben, was zu weiteren Wettbewerbsnachteilen führt.

Wie mit dem CBAM weiter verfahren?

Kurz- bis mittelfristig sollten weitere Schritte unternommen werden, um den administrativen Aufwand auch mit Blick auf die eigentliche Zielsetzung des CBAM weiter zu reduzieren. Die Berichtspflichten können zeitnah durch eine weitere Nutzung von Standardwerten zur Berechnung direkter und indirekter Emissionen und eine Anhebung der Freigrenze bzw. eine jährliche Mengenschwelle pro importiertes Produkt oder pro Importeur reduziert werden. Zudem sollte das Berichtswesen durch einen automatisierten Import der Zollmeldedaten in das CBAM-Portal grundsätzlich neu gestaltet werden. Diese von den nationalen Zollbehörden erhobenen Daten werden der EU-Kommission ohnehin zur Verfügung gestellt und sollten für den Aufbau eines effizienten CBAM-Berichtswesens genutzt werden. Dadurch würde die Zielsetzung des CBAM nicht gestört, jedoch der Aufwand für alle Beteiligten enorm reduziert.

Auf längere Sicht muss man sich dringend mit dem Outcome des CBAM beschäftigen. Wie bereits beschrieben, strahlt das Instrument unmittelbar auf Unternehmen und Branchen aus, die nicht im Fokus des mit dem CBAM verbundenen Carbon Leakage-Schutzes stehen. Außenvorgelassen, dass selbst diese Branchen den intendierten Schutz mit Skepsis betrachten, sind regelmäßige Impact Assessments notwendig, um die Kostenwirkung auf in Europa hergestellte Produkte zu prüfen und eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Effekte auf den gesamten Produktions- und Industriestandort vorzunehmen. Neben dem Austarieren von CBAM, EU-ETS und freier Zuteilung wird die Frage zu beantworten sein, ob und wie der CBAM-Produktkatalog um zusätzliche Warengruppen erweitert werden muss, beispielsweise Aluminiumkabel, Elektromotoren oder Weiße Ware wie Waschmaschinen und Kühlschränke, um hiesige Produzenten nicht einem zusätzlichen Kostennachteil auszusetzen. Spätestens mit der Vollanwendung des CBAM und dem Erwerb von CBAM-Zertifikaten ab 2026 muss man dann auch die europäischen Exporte in den Blick nehmen. Muss man und wenn ja mit welchen Maßnahmen den klimapolitisch gebotenen aber letztlich im internationalen Wettbewerb um Märkte und Kunden belastenden Kostennachteil europäischer Hersteller ausgleichen? Gerade für Deutschland als Exportnation, die sich immer für freien Warenverkehr einsetzen sollte, keine leicht zu beantwortenden Fragen.

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