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Clemens Otte, Bereichsleiter Mikroelektronik & Kabel

01.08.2024

Drei Fragen an Clemens Otte

Clemens Otte ist seit 1. Juni Bereichsleiter Mikroelektronik & Kabel im ZVEI. Vorher hat er mehrere Jahre als Head of Government Relations bei einem großen deutschen Software-Anbieter gearbeitet.

Der Bereich vertritt mit seinen drei Fachverbänden Electronic Components and Systems, PCB and Electronic Systems sowie Kabel und isolierte Drähte eine breite Palette an Unternehmen. Die im Bereich organisierten Halbleiter stecken heute in fast allen Geräten des täglichen Lebens– von Fernseher bis Flugzeug. Durch die Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung steigt der weltweite Bedarf an Chips weiter, wodurch auch ihre geopolitische Bedeutung zunimmt. Die Mikroelektronik ist zum „Spielball der Weltpolitik“ geworden, sagt Clemens Otte. Was genau er jetzt vorhat, verrät er hier.

Warum ist ein starkes Mikroelektronik-Ökosystem für Europa wichtig?

Mikroelektronik bildet die technologische Grundlage für zahlreiche Anwendungen und Industrien. In einem modernen Auto sind beispielsweise mehr als 1.000 Halbleiter verbaut, von der Zündung bis zur Reifendruckkontrolle. Die jüngste Chip-Knappheit hat deutlich gemacht, wie stark die Industrie von der Mikroelektronik abhängt. Diese Engpässe führten zu Produktionsstopps in verschiedenen Branchen und hatten gravierende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Gleichzeitig ist die Mikroelektronik längst zum Spielball der Weltpolitik geworden. Durch Sanktionen und Exportbeschränkungen entstehen Risiken, die eine kontinuierliche Versorgung mit Chips gefährden können. Regionen mit einem starken Mikroelektronik-Ökosystem sind weniger anfällig für geopolitische Spannungen und Handelskonflikte. Der Ausbau eines robusten Mikroelektronik-Ökosystems wird zudem die technologische Führungsrolle Europas festigen und hochwertige Arbeitsplätze sichern und schaffen.

Europas Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion ist in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft, er liegt heute nur noch bei knapp acht Prozent. Wie werden Chips aus Deutschland und Europa wieder stark?

Das europäische Chip-Gesetz (EU Chips Act) und die umfangreichen Förderzusagen der Bundesregierung, aber auch anderer europäischer Länder zur Stärkung der Halbleiterindustrie sind ein bedeutender Schritt nach vorn. Es ist jedoch wichtig, dass diese Fördermaßnahmen langfristig und dauerhaft angelegt sind. Wenn die Unterstützung in Europa nach den aktuellen Maßnahmen ausläuft, könnte der Anteil Europas an der globalen Chipproduktion in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts wieder abnehmen. Zudem muss die Förderung umfassender gestaltet werden und die gesamte Wertschöpfungskette der Mikroelektronik abdecken. Bisher wurden wichtige Sektoren wie die Leiterplattenherstellung und die Elektronikfertigung, die für die Weiterverarbeitung von Chips entscheidend sind, nicht ausreichend berücksichtigt. Beim ZVEI setzen wir uns dafür ein, das gesamte Mikroelektronik-Ökosystem zu stärken. Wir bauen eine ZVEI-Plattform für Mikroelektronik auf, in der Halbleiterunternehmen, Zulieferer, Leiterplattenproduzenten, Anbieter für Elektronikfertigung, Hersteller von passiven sowie elektromechanischen Bauelemente, Sensor- und Aktuatorhersteller bis hin zu den Abnehmern eng zusammenarbeiten und sich gemeinsam gegenüber der Politik für die Bedürfnisse der Branche einsetzen.

Welchen Beitrag kann Mikroelektronik für die Energiewende leisten?

Mikroelektronik spielt eine zentrale Rolle bei der Energiewende und trägt wesentlich zur Effizienz und Integration erneuerbarer Energien bei. In einem modernen Windrad beispielsweise steuern Mikroelektronik-Komponenten die Ausrichtung der Rotorblätter und maximieren so die Energieausbeute. Durch intelligente Steuerungssysteme wird die Leistung von Solaranlagen optimiert, und fortschrittliche Leistungshalbleiter ermöglichen die nahtlose Einbindung erneuerbarer Energiequellen in bestehende Stromnetze. Zudem verbessert Mikroelektronik die Energiespeicherung: Moderne Batteriespeicher, die durch Mikroelektronik gesteuert werden, ermöglichen eine effizientere Nutzung und längere Lebensdauer von Batterien. Insgesamt fördert Mikroelektronik durch kontinuierliche Innovationen die Entwicklung neuer, effizienter Technologien und Lösungen, die die Energiewende vorantreiben.

 

Clemens Otte
Bereichsleiter Mikroelektronik & Kabel