12.07.2022

Klimaschutzsofortprogramm: Fast am Ziel

Die Bundesregierung arbeitet an einem Klimaschutz-Sofortprogramm, um die Ziele des 2021 novellierten Bundes-Klimaschutzgesetzes einzuhalten. Die dort vorgegebenen Jahresemissionsmengen für die Sektoren bis 2030 sind das maßgebliche Kriterium für die zu entwickelnden Maßnahmen und Instrumente. Letztlich geht es um das Ziel, bis 2045 in Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen und auch europäische und internationale Zielvorgaben zu erfüllen. Laut Umweltbundesamt sind die THG-Emissionen von 1990 bis 2021 um 38,7 Prozent auf rund 762 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesunken.

Das Tempo der Emissionsminderungen muss sich in den kommenden Jahren insgesamt mehr als verdoppeln und dann bis 2030 nahezu verdreifachen, um das rechtlich verbindlich festgeschriebene Ziel des Bundes-Klimaschutzgesetzes für 2030 zu erreichen. Hierzu müssen alle Sektoren einen anspruchsvollen Beitrag leisten. Die Elektro- und Digitalindustrie unterstützt einen ambitionierten Umbau des Energiesystems auf dem Weg in eine klimaneutrale (Industrie-) Gesellschaft; ein Weg, der nur über Elektrifizierung und Digitalisierung zum Ziel führen kann. In diesem Sinne müssen Anreize und attraktive Rahmenbedingungen zur dezentralen Erzeugung, effizientem Transport und sektorübergreifenden Nutzung erneuerbarer Energien geschaffen werden. Flexibel, effizient und sicher. 
Der ZVEI befürwortet den Entwurf für ein Klimaschutz-Sofortprogramm ausdrücklich. Die vielen skizzierten Maßnahmen sind in großen Teilen richtig und wichtig. Dennoch gibt es einige Punkte, die nachgebessert werden müssen:

Mit der EEG-Novelle baut die Bundesregierung Barrieren für die dezentrale Erzeugung erneuerbaren Stroms weiter ab – Ein wichtiges Signal ist die vollständige und dauerhafte Abschaffung der EEG-Umlage. Die weitere Entlastung des Strompreises bleibe das Gesetzespaket aber schuldig. Die Neujustierung von energiewirtschaftlichen Umlagen ist richtig, aber nicht konsequent und breit genug umgesetzt. Neben der EEG-Umlage müssen auch weitere Umlagen auf den Strompreis fallen. Damit die Energiewende gelingt, muss Strom aus regenerativen Quellen attraktiver sein als fossile Brennstoffe. Positiv sieht der ZVEI dagegen die Stärkung von Prosumern durch höhere Vergütung bei Teileinspeisung und die Möglichkeit, auf einem Dach zukünftig Teil- und Volleinspeiseanlagen nebeneinander zu betreiben. Dies trage dem Leitgedanken der dezentralen Energieerzeugung und -nutzung Rechnung.

Nicht in dieses Bild passt jedoch das Vorhaben, kleine Elektrolyseure <20MW von Förderinstrumenten auszuschließen. Dabei können gerade kleinere Anlagen schneller realisiert werden und so den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beflügeln. Darüber hinaus wird ein Großteil der für die Energiewende benötigen PV- und Windanlagen in der Fläche, d. h. in ländlichen Regionen angeschlossen. Die dort vorhandenen Überschüsse können durch Elektrolyseanlagen mit deutlich kleiner als 20 MW großen Mehrwert für die lokalen Netzbetreiber schaffen. Sie können auch helfen mehr Akzeptanz für die Errichtung von Energieparks zu schaffen, indem über zusätzliche Speicher- und Power-to-Gas-Lösungen mehr lokale Wertschöpfung entsteht. Nicht zuletzt hilft Dezentralität dabei, Transportwege zu reduzieren und grüne Gase effizient und sauber in die Fläche zu bringen. 

Für eine effiziente und effektive Integration erneuerbarer Energien in das Stromsystem müssen außerdem Erzeugung und Verbrauch erneuerbarer Energien besser synchronisiert werden. Dazu müssen Strompreissignale bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen, die dann auch den zeitlichen Bezug von Strom flexibel gestalten können. Mit digitalen und intelligenten Netzanschlüssen (Smart-Meter-Gateway + Energiemanagementsystem) und Technologien wie Wärmepumpe, Stromspeicher und E-Mobilität sind die technischen Möglichkeiten am Markt verfügbar. Insbesondere der Smart-Meter-Gateway-Rollout muss massiv beschleunigt werden. 

Strom ist der Rohstoff der Energiewende. Auch nach der nun dauerhaften Abschaffung der EEG-Umlage besteht weiterhin ein hoher Handlungsdruck, den Strompreis zu senken, um Investitionen in die Elektrifizierung attraktiver zu gestalten. Zu den benötigten Schritten zählen ein vollständiger Wegfall der KWKG-Umlage und der Offshore-Netzentgelte, ein Absenken der Mehrwertsteuer auf Strom von 19 auf sieben Prozent und das Herabsenken der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß. 

Die Elektro- und Digitalindustrie bleibt ein zuverlässiger Partner der Politik auf dem Weg in die All-Electric-Society. 
 

 

Autor: Christopher Müller