12.07.2022

Kritische Abhängigkeiten: Europa, Deutschland und China

Wie stehen wir zu China? Diese Frage stellt man sich allerorten. Die augenblickliche geopolitische Situation, angeheizt durch den völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, stellt die europäische und deutsche Politik vor enorme Herausforderungen.

Der chinesische Elektromarkt ist der mit Abstand größte der Welt. Zwischen 2010 und 2020 hat sich das chinesische Elektromarktvolumen von 790 auf (vorläufige) 1.898 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Sein Anteil am globalen Elektromarkt ist im selben Zeitraum auf 41,2 Prozent gestiegen. China erzielt bei elektrotechnischen und elektronischen Gütern auf dem Weltmarkt einen massiven Exportüberschuss. Im Jahr 2021 hat sich das Wachstum des chinesischen Marktes auf 11 Prozent belaufen. Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie hat sich bis Ende 2019 mit 8,1 Milliarden Euro hohen Direktinvestitionen in China engagiert.

Die Volksrepublik China hat sich in den vergangenen Jahren zu einer selbstbewussten, politisch ambitionierten und wirtschaftlich starken Weltmacht entwickelt. Chinas Erfolg basiert auf einem anderen Rechte- und Wertesystem als das der westlichen Industriestaaten. Die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung müssen diese unterschiedlichen Systeme sowie die Entwicklung Chinas zu einem „Global Player“ bei all ihren politischen Vorhaben berücksichtigen. Europa, China und die USA müssen dabei stets zusammen gedacht werden.

Europa und die Bundesrepublik Deutschland können der Volksrepublik China selbstbewusst und auf Augenhöhe begegnen. Das Verhältnis zu China muss so gestaltet sein, dass auch kritische Themen angesprochen werden können. Darüber hinaus muss das Ziel sein, zu gemeinsamen Lösungen zu finden, wie beispielsweise beim Klimawandel und bei globalen Konflikten. Gerade im Hinblick auf den Klimaschutz muss China aktiv miteingebunden werden. Ohne das Land können auch unsere Klimaziele nicht erreicht werden. Sein erklärtes Ziel ist die Klimaneutralität bis zum Jahr 2060. Auch wenn China bereits einen hohen Innovationsgrad erreicht hat, sind die Technologien und Innovationen der Elektro- und Digitalindustrie insbesondere mit Blick auf die Erreichung dieser Klimaziele stark nachgefragt. Hier gilt es, Chancen zur Kooperation zu nutzen. 

Die Einbindung Chinas auf globaler Ebene und insbesondere im multilateralen Kontext ist von hoher Bedeutung. Hier die Türen zu verschließen, würde zu einer weiteren Absonderung Chinas führen. Durch z. B. die Zero-Covid-Strategie Chinas ist deutlich erkennbar, dass eine Isolierung Chinas und Fokussierung auf den innerchinesischen Markt nicht wünschenswert sein kann. Chinas Dual-Circulation-Strategie verfolgt indes genau dieses Ziel, daher muss hier der Dialog offengehalten werden. 

Auch wenn wir gleichzeitig die Innovationskraft stärken müssen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen wie europäischen Elektro- und Digitalindustrie weiter fördern sowie Abhängigkeiten von China reduzieren und Alternativen finden: Eine Entkopplung kann nicht zielführend sein. Die EU-Politik muss weiterhin auf ein Level-Playing-Field hinarbeiten, auf gleichen freien und fairen Marktzugang ausgerichtet sein und sollte in jedem Fall lösungsorientiert agieren. Ein Abschotten des Europäischen Marktes darf keine Lösung sein. Es bedarf Plattformen für den Austausch mit China auf allen Ebenen: politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. 


Kontakt: Silke Sichter | ZVEI Global & China Affairs | silke.sichter(at)zvei.org