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06.02.2025
Inspiriert von einer fragwürdigen Kampagne unter Präsident Dwight Eisenhower in den 1950er Jahren, im Rahmen derer damals etwa 1,1 Millionen Menschen das Land verlassen mussten, hat der neue US-Präsident Donald Trump die massenweise Ausweisung nicht-registrierter Migranten zu einer seiner höchsten Prioritäten erklärt. Die größte Rückführungsaktion in der amerikanischen Geschichte soll es werden, notfalls unter Einsatz des Militärs. Allein die ökonomischen Konsequenzen wären weitreichend.
Schätzungen gehen davon aus, dass heute gut zehn Millionen unautorisierte Migranten in den USA arbeiten. Das wären sechs Prozent der Erwerbstätigen. Tätig sind sie vor allem in der Landwirtschaft, auf Baustellen und in Restaurants. Fast die Hälfte von ihnen schafft in Kalifornien, Florida, New York und Texas.
Wunschgedanke der geplanten Massendeportationen ist, dadurch Jobs für gebürtige US-Bürger zu schaffen und deren Löhne zu erhöhen. Dabei wird fälschlicherweise vorausgesetzt, es gäbe nur eine mehr oder weniger statische Nachfrage nach Arbeitskräften, um die Einheimische und Einwanderer konkurrierten. Tatsächlich besteht hier aber keine Substitutions-, sondern eine komplementäre Beziehung. Aus Analysen der Obama-Zeit etwa ist als grobe Schätzung bekannt: Elf außer Landes verwiesene Migranten bedeuten am Ende auch den Verlust eines Arbeitsplatzes von jemandem, der in den USA geboren wurde.
Angesichts einer sehr hohen Erwerbsbeteiligung sowie alternden Bevölkerung verschlimmern Massenrückführungen also nur das Knappheitsproblem auf dem Arbeitsmarkt.
Und Knappheiten wirken dann bekanntlich preissteigernd bzw. inflationär. Hier dürfte der Agrarsektor besonders anfällig sein. Von den zweieinhalb Millionen Beschäftigten in der US-amerikanischen Landwirtschaft sind geschätzt eine Million nicht-registrierte Einwanderer. Ihr Verlust könnte auszugleichen versucht werden durch noch mehr Automatisierung, Gastarbeiter oder Importe (statt heimischer Produktion). Aber vor allem die beiden letzteren Alternativen treiben die Kosten. Und höhere Importe bedeuten auch wieder ein größeres Handelsdefizit, was die Trump-Administration doch eigentlich schon gar nicht will.
Im Baugewerbe sind rund anderthalb Millionen unautorisierte Migranten beschäftigt und damit etwa ein Sechstel der Erwerbstätigen in diesem Wirtschaftszweig. Die Branche steht ohnehin schon wegen der gestiegenen Zinsen unter Druck. Noch mehr fehlende Arbeiter würden die bereits existierenden Angebotsengpässe weiter verschärfen und die Preise treiben. Zwar bedeuten weniger illegale Einwanderer auch weniger Nachfrage nach Wohnungen, allerdings wiegt der negative Effekte auf der Angebotsseite hier unterm Strich stärker.
Schließlich würden Massenausweisungen nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen schmälern, sondern auch die öffentlichen Finanzen strapazieren. Das liegt vor allem daran, dass illegale Einwanderer zwar so gut wie keinen direkten Zugang zu den verschiedensten öffentlichen Programmen und Zuwendungen haben, gleichzeitig aber über direkte wie indirekte Steuern zur Finanzierung der Sozialsysteme beitragen, netto also Zahler und nicht Empfänger sind. Das heißt: Indem auch illegale Migranten über ihr Arbeitsangebot zu Wachstum und damit besteuerbarem Einkommen beitragen, helfen sie, die staatlichen Bücher auszugleichen. Ohne sie wäre das US-Haushaltsdefizit noch größer, als es mit fast sieben Prozent vom BIP ohnehin schon ist.
Dr. Andreas Gontermann