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26.05.2020
Die OECD hatte kürzlich mal vorgerechnet, dass die globalen Emissionen von Kohlendioxid um 1,2 Prozent sinken würden, wenn die Weltwirtschaft statt um drei nur um anderthalb Prozent wächst. Der Rückgang – trotz immer noch wachsender Wirtschaftsleistung – verdanke sich einer insgesamt höheren Kohlenstoff-Effizienz.
Inzwischen ist allerdings klar: Die Weltwirtschaft wird – bedingt durch die Corona-Krise – dieses Jahr nicht wachsen, sondern empfindlich schrumpfen. So geht der IWF von einem Rückgang um drei Prozent aus. Umso höher sollte denn auch die diesjährige CO2-Reduktion ausfallen. Und in der Tat hat der weltumspannende Lockdown bereits zu einer deutlich geringeren Schadstoffbelastung der Luft geführt. In China ist der CO2-Ausstroß im Februar schätzungsweise um ein Viertel gegenüber seinem Vorjahreswert gesunken. Die Konzentration von feinen Rußpartikeln in den großen Städten lag um 20 bis 30 Prozent niedriger als im Durchschnitt der drei Jahre zuvor. Weniger Verkehr in New York City hat die Menge an Kohlenmonoxid um die Hälfte sinken lassen. Die Kohlendioxid-Konzentration ging hier im März um knapp zehn Prozent gegenüber dem 2019er Level zurück. Weitere Beispiele aus der Po-Ebene in Italien oder aus Südkorea ließen sich finden. Weltweit wurde im April 17 Prozent weniger CO2 emittiert als vor einem Jahr.
Freilich stellt sich die Frage, wie nachhaltig das alles ist, denn die Weltwirtschaft wird sich – hoffentlich früher als später – von der Corona-Pandemie erholen. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise sind da eher ernüchternd. 2009 waren die weltweiten CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und der Zementherstellung um anderthalb Prozent gefallen. Ein Jahr später stiegen sie dann aber wieder um knapp sechs Prozent, und Ende 2010 lag der jährliche Ausstoß so hoch wie nie. Verantwortlich hierfür war vor allem ein dynamisches Wachstum in den großen Schwellenländern China und Indien. Niedrige Preise für fossile Energieträger und Konjunkturpakete beispielsweise für die Bauwirtschaft waren da nicht eben hilfreich.
Die weiteren Auswirkungen der Corona-Krise auf das Klima hängen insoweit davon ab, wie lange die Pandemie noch dauert (worauf man begrenzt Einfluss hat) und wie spätere Stimulierungsmaßnahmen ausgestaltet werden. Hier wäre wichtig, die Ressourcen am Ende nicht wieder in solche Sektoren zu lenken, wo hohe Emissionen verursacht werden. Kanada scheint dieser Versuchung zu erliegen. Hier wird ein mehrere Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die Öl- und Gasindustrie vorbereitet. In China planen bereits etliche Provinzen einen Großeinsatz für den Bausektor. Auch Ideen für Gutscheine, die zum Kauf konventioneller Automobile animieren sollen, sind in der Volksrepublik im Umlauf. Gleichzeitig könnten die neu installierten Kapazitäten an Solarenergie in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten unter Vorjahr liegen.
Stattdessen sollten die Anreize in Richtung Klimaneutralität gesetzt werden. Das heißt: Wenn Förderung des Energiesektors, dann Ausbau von erneuerbaren Energien. Wenn Förderung des Mobilitätssektors, dann Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, etc.
Zurück zur OECD. Sie hat u.a. die Schirmherrschaft über die Internationale Energie-Agentur (IEA). Diese hat dafür plädiert, sämtliche anstehende Stimulierungsmaßnahmen grün auszugestalten. Auf dass es diesmal besser läuft als nach der Finanzkrise.
Dr. Andreas Gontermann