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24.10.2019
Mal abgesehen von ein paar zwischenzeitlichen Aufs und Abs sind die langfristigen (realen) Zinsen jetzt seit gut drei Jahrzehnten rückläufig. Zehnjährige amerikanische Staatsanleihen rentieren inzwischen weit unter zwei Prozent. Bei den deutschen Pendants ist der Ertrag mit ca. minus einem halben Prozent sogar deutlich negativ.
Die wirklichen Gründe für das kontinuierliche Fallen der Zinsen seit spätestens den 1990er Jahren sind bis heute kaum klar. Zwei Erklärungsansätze stechen heraus. Der eine ist vergleichsweise offensichtlich. Ihm zufolge gehen die Niedrigzinsen vor allem auf das Konto der Zentralbanken. Denn diese haben spätestens seit der Finanzkrise die kurzfristigen Zinsen auf null oder sogar darunter gesenkt. Darüber hinaus haben die Notenbanken mit Unmengen von frisch gedruckten Dollars und Euros Staatsanleihen angekauft, um deren Kurse hoch bzw. die spiegelbildlichen Renditen runter zu treiben (Stichwort: Quantitative Lockerung im Rahmen unkonventioneller Geldpolitik).
Die zweite Erklärung stellt auf strukturellere Faktoren ab und betont ein Überangebot an Ersparnissen. Geburtenstarke Jahrgänge in den Industrieländern legten vermehrt Geld fürs Alter auf die Seite. Zudem sei die chinesische Volkswirtschaft mit ihrer extrem hohen Sparrate in die Weltwirtschaft integriert worden. Indem diese geballten Ersparnisse auf eine nur begrenzte Investitionsnachfrage – nicht zuletzt auch etlicher Staaten – träfen, drückten sie den Zins – also den Preis für Kapital.
Solange die Inflationsraten weiterhin so gering (und unterhalb der von den Zentralbanken ausgegebenen Zielmarken von meist knapp zwei Prozent) bleiben, kann man wohl davon ausgehen, dass sich an der expansiven Geldpolitik und an den niedrigen Zinsen erst einmal wenig ändern wird. Dennoch: Der Tag, an dem die langfristigen Zinsen wieder steigen – und hierbei möglicherwiese stärker steigen, als sie zuvor gesunken sind –, er wird kommen.
Wenn die Babyboomer einmal im Altersruhestand sind, sparen sie von da an weniger und geben mehr aus. China steuert seine Volkswirtschaft um – weg von Exporten und Investitionen, hin zu mehr Konsum und Dienstleistungen. Der Leistungsbilanzüberschuss des Landes – und damit der Überhang der Ersparnisse über die Investitionen – lag 2018 schon nur noch bei einem halben Prozent vom Sozialprodukt. Schließlich könnte passieren, dass in den Industrieländern die Fiskalpolitik wieder mehr an Bedeutung gegenüber der Geldpolitik gewinnt und entsprechend Ersparnisse aufsaugt, um Brücken, Flughäfen, Straßen sowie digitale Infrastruktur zu modernisieren bzw. neu zu errichten.
Die Auswirkungen wieder steigender Zinsen könnten insoweit massiv sein, als die Bewertungen bzw. Preise eigentlich sämtlicher Vermögenswerte letztlich zinsabhängig sind. Genau hiervor haben die Notenbanken so viel Respekt, weshalb sie sich mit einem Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik eben auch so unendlich schwer tun. Je niedriger die langfristigen Zinsen sind, desto mehr werden Anleger in Aktien, Immobilien, Gold oder riskante Anleihen getrieben, was dann deren Preise in die Höhe hievt – mitunter bis sich spekulative Blasen bilden. Wieder anziehende Zinsen wirken entsprechend in die umgekehrte Richtung. Mag sein, dass die Anpassungen langsam erfolgen werden, sodass sich Haushalte, Unternehmen und Staaten adäquat auf an breiter Front fallende Asset-Preise vorbereiten können und so die Finanzmarktstabilität gewahrt bleibt. Vielleicht aber auch nicht.