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25.11.2021
Als die Rohstoffpreise während der 2000er Jahre stark anzogen, war die Ursache dafür relativ eindeutig: das fortgesetzte hohe Wirtschaftswachstum in China. Mit seinem Abflachen Mitte der 2010er Jahre kam dann auch der Rohstoff-Superzyklus zu einem Ende.
Nun stehen die Rohstoffmärkte seit einiger Zeit erneut im Blickpunkt. Dem einschlägigen Index von Dow Jones zufolge sind die Preise hier bis zur Mitte dieses Jahres um etwa 70 Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. Seitdem gleicht ihre Entwicklung einer ziemlichen Achterbahnfahrt. Manche Materialien – wie etwa Lithium – haben sich weiter verteuert, andere – z.B. Eisenerz oder Holz – sind dagegen wieder preiswerter geworden.
Aber anders als vor zwei Jahrzehnten lässt sich ein singulärer treibender Faktor diesmal nicht wirklich ausmachen. Stattdessen sind sowohl Angebot als auch Nachfrage natürlicher Ressourcen von einer ganzen Serie an Schocks betroffen, die zudem in kaum abschätzbarer Weise ineinanderwirken. Grob stechen dabei drei Einflüsse heraus.
Erstens ist da die weltweit sehr ungleiche Erholung von der Corona-Pandemie (welche die Nachfrage ja ohnehin schon massiv weg von kontaktintensiven Dienstleistungen hin zu Waren, für die es Rohstoffe als Input braucht, verschoben hatte). China kam schnell und als erstes wieder in Tritt, sieht sich inzwischen aber auch mit Rückschlägen konfrontiert. In den USA hat die Fiskalpolitik den Aufschwung befeuert. Erst gab es Sorgen vor einer Überhitzung, dann vor der Delta-Variante sowie Materialknappheiten und Lieferschwierigkeiten. Letztere treiben auch Europa um. Ärmere Länder hinken bei der Erholung hinterher, weil ihnen Impfstoffe fehlen.
Das alles führt immer wieder zu Nachfragespitzen, die auf Angebotsengpässe, unterbrochene Lieferketten und logistische Probleme stoßen. So ist beispielsweise der Preis für Kupfer nicht nur wegen der wieder erstarkten Nachfrage gestiegen, sondern auch aufgrund von Mienenschließungen in Südamerika. Dass der Ölpreis Ende September zum ersten Mal seit drei Jahren wieder über 80 Dollar lag, hat ebenfalls nicht allein nachfrageseitige Gründe. Daneben zeigt sich die OPEC derzeit auffallend diszipliniert, verabredete Quoten auch tatsächlich einzuhalten; und die amerikanische Fracking-Industrie steigert ihre Produktion nicht. Stattdessen zahlt sie Schulden zurück. Der Preis für Palladium, das in Katalysatoren verwendet wird, ist im September um ein Viertel gesunken, weil der Mangel an Mikrochips die Autoherstellung ausbremst.
Zum zweiten erhöht die grüne Transformation den Bedarf an Ressourcen, die etwa für Wind- oder Solarfarmen gebraucht werden. Weil Gas als Brücke für den Übergang von den dreckigsten auf die saubersten Energieträger dient, wird sein Preis derzeit mitgepusht. Der Preis von für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge benötigtes Lithium hat sich allein im September um ein Fünftel erhöht. Schließlich bedingt der Klimawandel Extremwetterereignisse. So hat Schnee in Brasilien den Kaffeepreis hochschnellen lassen oder der Hurrikan Ida die Öl- und Gasproduktion im Golf von Mexiko blockiert.
Drittens vernebeln geopolitische Spannungen die (Aus-)Sicht. Weil Australien eine Untersuchung der Ursprünge des Coronavirus wollte, hat China den Import von Rohstoffen aus dem Land limitiert. Russland wird vorgeworfen, seine Gasexporte nach Europa strategisch einzuschränken, um die umstrittene Pipeline zu befördern. Seit Mitte August ist der europäische Gaspreis um mehr als 80 Prozent gestiegen.
Wie lange die angespannte Lage an den Rohstoffmärkten andauern wird, weiß letztlich niemand. Auf jeden Fall ist sie hartnäckiger, als zunächst gedacht, und dürfte sich auch ins nächste Jahr hinziehen.
Dr. Andreas Gontermann