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08.03.2022

Sino-amerikanischer Handelsstreit

Um ihren Handelsstreit zu beruhigen, hatten China und die USA am 15. Januar 2020 den so genannten Phase-1-Deal geschlossen. Dieser ist nun seit gut zwei Jahren in Kraft. Eine Bestandsaufnahme der bisherigen Auswirkungen des Disputs sowie des Versuchs seiner Eindämmung fällt recht ernüchternd aus, und zwar für beide Seiten.

Die Vereinbarung sah u.a. vor, dass China 2020 und 2021 zusätzliche Güter und Dienstleistungen im Wert von 200 Milliarden Dollar aus den Vereinigten Staaten importieren sollte. Hinter diesem Ziel ist man allerdings weit zurückgeblieben.

Die Hochschaukelei, sich gegenseitig mit Zöllen zu überziehen, hatte Anfang 2018 begonnen. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie stiegen die durchschnittlichen amerikanischen Zollsätze auf chinesische Einfuhren von drei auf 19 Prozent. Die Tarife, mit denen die Chinesen Importe aus den USA belegen, zogen im gleichen Zeitraum von acht auf 21 Prozent an. Bezogen aufs amerikanische BIP sind die Handelsbeschränkungen durchaus vergleichbar mit den damaligen Restriktionen der 1930er Jahre, welche die Große Depression nur noch verschlimmerten.

Dachte man zunächst, die Last der Zölle werde sich in etwa hälftig auf China und die USA verteilen, dürften die Amerikaner inzwischen eines Besseren belehrt sein. Über 90 Prozent der Mehrkosten durch die US-Zölle auf Einfuhren aus China mussten von den amerikanischen Importeuren getragen werden, weil sie kaum Alternativen zu ihren chinesischen Lieferanten hatten. Die zwischenzeitlich stark gestiegene Inflation in den USA könnte auch ein Indiz dafür sein, dass die Lasten nun auch stärker an die Verbraucher durchgereicht werden.

Mit den Zöllen wollten die USA auch ihre eigene Industrie wiederbeleben. Allem Anschein nach hat die durch den Handelsstreit ausgelöste Unsicherheit die Investitionen in den USA aber eher gebremst. Höhere Importpreise und Vergeltungsmaßnahmen der Chinesen haben offensichtlich stärker gewogen als der Schutz vor fremder Konkurrenz. Es gibt Schätzungen, wonach die höheren Zölle die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe der USA um knapp anderthalb Prozent reduziert haben.

Aber auch China hat eingebüßt. Zwar ist der Großteil der Bevölkerung von nennenswerten Konsequenzen wohl verschont geblieben. Anders sieht das in den besonders exportintensiven Teilen der Volkswirtschaft aus. Hier dürfte das Pro-Kopf-Einkommen um zweieinhalb Prozent geschrumpft sein. Inoffizielle Daten zeigen zudem, dass amerikanischen Zöllen ausgesetzte Firmen in den sechs Monaten nach einer Zollerhöhung drei Prozent weniger Stellenanzeigen geschaltet und ihr Lohnangebot im Schnitt um ein halbes Prozent gesenkt haben.

Lediglich in einer Hinsicht könnte der Handelsstreit womöglich etwas Sinnvolles bewegt haben. Während die amerikanischen Importe aus China geschrumpft sind, haben sich die Einfuhren etwa aus Mexiko um ein Fünftel erhöht und die aus Vietnam verdoppelt. Dies deutet auf eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten hin. Die Abhängigkeit von nur einem oder sehr wenigen Anbietern zu verringern, ist eine der zentralen Lehren aus der Corona-Pandemie. Der Handelsdisput könnte immerhin geholfen haben, sie zu beherzigen.

Dr. Andreas Gontermann

Konjunktur & Märkte

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