So betrachtet, erschrecken die nackten Zahlen weitaus weniger. Zwar entfallen nur acht Prozent der weltweiten Wafer-Produktionskapazität auf die europäische Union. Doch Christoph Stoppok, im ZVEI für die Mikroelektronik verantwortlich, zeichnet ein anderes Bild: „Wir beobachten eine weltweite Arbeitsteilung.“ Selbst wenn auch die Standardchips für die Unterhaltungselektronik nahezu ausnahmslos in Asien und den USA produziert würden, hätte Europa noch immer die Spitzenposition inne, wenn es um Spezialchips etwa für Autos, Industrieanlagen oder die Medizintechnik gehe. Und auch bei anderen Elektronikkomponenten wie Leiterplatten oder passiven Bauelementen steige der Marktanteil der Europäer, je komplexer die Anwendung werde. Doch in Sicherheit wiegen will sich der Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Electronic Components and Systems nicht. „Es gibt definitiv einen weltweiten Förderwettbewerb auch bei More-than-Moore-Technologien. Wir sind deshalb in kontinuierlichen Gesprächen mit der Politik.“ Die haben unter anderem zu einem neuen Modell der Forschungsförderung geführt, dem „Important Projects of Common European Interest“ (siehe dazu Bericht auf Seite 16). Zudem sollte Stoppok zufolge auch bei den Standardchips darauf geachtet werden, dass keine einseitigen Abhängigkeiten entstehen. „Wollen wir in einer Welt leben, in der die gesamte europäische Industrie von nur zwei Produzenten abhängig ist, von denen einer in den USA und der andere in Fernost sitzt?“ Es gehe nicht um Autarkie, fügt Stoppok hinzu, sondern um Souveränität. „Sollten hierfür More-Moore-Projekte gefördert werden, darf das allerdings keineswegs zu Lasten von More-than-Moore gehen.“
Nicht mit Geld, sondern mit der Organisation von Wissensaustausch will der Verband selbst dazu beitragen, die Mikroelektronik in Deutschland zu stärken. Daher veröffentlicht der ZVEI eine Technologie-Roadmap. Die letzte Fassung, fertiggestellt im Sommer 2019, behandelt auf mehr als 300 Seiten nicht nur Chips und Bauelemente, sondern auch Anwendungen, und Software. Die Roadmap zeigt darüber hinaus, welche neuen Technologien am Horizont erscheinen und in welchen Anwendungsfeldern sie nützlich sein könnten. „Wir sprechen über wahrscheinlich mögliche Entwicklungen, nicht über Wissen“, so Stoppok.