Bereit für die Quantenwelt
Bestehende Software läuft nicht auf Quantencomputern. Sabina Jeschke will mit ihrem Start-up Quantagonia den Übergang vereinfachen.
ampere 2.2023
Zwiegespräch
Die E-Mobilität in Deutschland nimmt Fahrt auf. Noch bleibt aber viel zu tun, um beispielsweise die CO2-Emissionen im Güterverkehr zu senken. Im Zwiegespräch diskutieren Daniela Kluckert, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr und Michael Halbherr, Vorstandschef von ABB E-Mobility, über den Stand der Dinge und die Herausforderungen der Zukunft.
Frau Kluckert, Ihr Chef, Verkehrsminister Wissing, fährt seit kurzem einen vollelektrischen Privatwagen und merkte neulich an, in Deutschland müsse nun zügig auch auf den Fernstraßen das Schnellladenetz ausgebaut werden. Was bringen Sie in dem Bereich voran?
Kluckert: Eine ganze Menge. Wir sind mitten dabei, das Deutschlandnetz auszurollen. Das sind insgesamt über 1.000 Standorte, an denen wir Ladehubs entwickeln. Einerseits haben wir dabei Deutschland in Regionen unterteilt und ein neues Ausschreibungsmodell dafür entwickelt, damit sich der Markt nicht zu sehr konzentriert. Noch in diesem Jahr werden wir die ersten Standorte eröffnen. Und wir bauen selbst, gemeinsam mit Unternehmen, Ladehubs an den nicht-bewirtschafteten Rastanlagen.
Was tut sich sonst?
Kluckert: Im vergangenen Jahr haben wir den „Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung“ im Kabinett verabschiedet – der Masterplan ist der Fahrplan für die Aufgaben der nächsten Jahre und umfasst insgesamt 68 Maßnahmen in allen möglichen Bereichen. Auch hier sind wir mitten in der Umsetzung.
Die drei Schlüsselherausforderungen sind das Stromnetz, die Flächen und die Digitalisierung. An allen drei Punkten arbeiten wir mit Hochdruck. So hat beispielsweise das Bundesfinanzministerium über die bundeseigenen Liegenschaften dafür gesorgt, dass wir nun viel besser auch die Flächen des Bundes nutzen können. Insofern bin ich zuversichtlich, dass unser Verkehrsminister bald noch problemloser elektrisch durch Deutschland fahren kann.
Herr Halbherr, teilen Sie Frau Kluckerts Optimismus?
Halbherr: Es geht in vielen Bereichen tatsächlich voran, in anderen müssen wir aber noch schneller und besser werden. Die Industrie schließt sich bereits branchenübergreifend zusammen und treibt Projekte voran, zum Beispiel den neuen Megawatt-Ladestandard MCS (Megawatt Charging System). Wir brauchen aber auch politische Flankierung, insbesondere beim schnellen Ausbau und der Digitalisierung der Stromnetze oder beim Flächenbedarf für Ladeparks an Autobahnen und Logistikachsen.
Häufig hört man von Unternehmensseite Kritik an zu schwerfälligen Planungs- und Genehmigungsverfahren…
Halbherr: Das ist sicher ein wichtiger Punkt, ebenso wie die Angleichung der jeweiligen Anforderungen im Baurecht der Bundesländer. All das ist unverzichtbar für den schnelleren Hochlauf der E-Mobilität. Wir brauchen klare Signale der Politik – nicht zuletzt, um Vertrauen bei Logistikunternehmen und in anderen EU-Mitgliedsstaaten aufzubauen. Auch im Bereich der Subventionen wünsche ich mir mehr Kontinuität.
Aktuell gibt es 88.000 öffentliche Pkw-Ladepunkte in Deutschland. Im Koalitionsvertrag sind eine Million bis 2030 vereinbart. Dafür scheint das derzeitige Tempo bei weitem nicht hoch genug. Halten Sie an dem Ziel fest, Frau Kluckert?
Kluckert: Das Ziel ist nicht falsch. Aber wir müssen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Es werden sich neue und andere Arten des Ladens ergeben, und es wird sich noch viel stärker ausdifferenzieren, wo die Menschen tatsächlich laden: manche am Straßenrand, andere bei der Arbeit oder wenn sie einkaufen, wieder andere entlang der Fernstraßen. Ob wir am Ende überhaupt eine Million öffentliche Ladepunkte brauchen, wird sich zeigen. Die Diskussion um die Zahl bringt uns nicht weiter. Stattdessen müssen wir überlegen, wie wir insgesamt zu deutlich mehr Ladesäulen kommen. Und genau das tun wir.
Bringt uns diese Diskussion weiter, Herr Halbherr?
Halbherr: Ich denke, eine Million öffentliche Pkw-Ladepunkte ist nach wie vor ein gutes Ziel. Wir dürfen dabei aber nicht die Komplexität der Software unterschätzen. Gerade für das bidirektionale Laden und das Energiemanagement muss noch viel Entwicklung stattfinden. Wir müssen daher auch aufpassen, dass wir die richtige Balance zwischen Ausbau und Innovation finden. Es nützt nichts, wenn wir jetzt Ladesäulen installieren, die mit der kommenden Innovation nicht kompatibel sind.
Der Güterverkehr auf der Straße ist entscheidend, um die CO2-Emissionen im Verkehrssektor signifikant zu senken. Die Nutzfahrzeugindustrie sagt: Wir sind bereit, zügig elektrifizierte Lkw auf die Straße zu bringen, aber es mangelt an Tausenden von Ladestationen entlang der Fernstraßen und Autobahnen. Wie wollen Sie das ändern?
Kluckert: Das Thema Güterverkehr ist komplex. Um den prognostizierten Zuwachs des Güterverkehrs zu stemmen, stärken wir in den kommenden Jahren massiv die Schiene mit 45 Milliarden Euro, um möglichst viele Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Trotzdem wird der Güterverkehr auf der Straße zunehmen. Um aber auch hier die Dekarbonisierung voranzutreiben, setzen wir auf verschiedene Maßnahmen: Wir unterstützen erneuerbare Kraftstoffe, fördern technologieoffen alternative Antriebe und investieren explizit in die Elektromobilität im Bereich Lkw. Wir subventionieren derzeit die Anschaffungskosten und tragen teilweise bis zu 80 Prozent der Mehrkosten. Zusätzlich investieren wir massiv in den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Wie schätzen Sie den Stellenwert von batterieelektrischen Fernverkehrs-Lkw ein, Herr Halbherr?
Halbherr: Sie können eine große Hilfe bei der Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor sein. Deshalb brauchen wir dringend eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, um Planungssicherheit für die Fuhrparkbetreiber zu schaffen. Der neue Megawatt-Ladestandard MCS zum Beispiel hat riesiges Potenzial: Er ermöglicht Ladeleistungen von über 3.500 kW. Wir brauchen MCS-Lademöglichkeiten entlang der Logistikachsen und an den Start- und Endpunkten der Touren. So können die Fahrer beispielsweise die vorgeschriebenen Pausenzeiten zum Nachladen nutzen.
Kluckert: Genauso, wie wir das Pkw-Deutschlandnetz aufgebaut haben, bauen wir jetzt ein Lkw-Deutschlandnetz aus. Wir bereiten derzeit die Ausschreibungen vor, damit wir hier auch entlang der Magistralen genügend Ladehubs bekommen. Das ist ziemlich herausfordernd, insbesondere weil das Netz – wie Sie ja gerade zutreffend skizziert haben – mehr Power braucht. Bereits in diesem Jahr wurde in Deutschland die von uns mitgeförderte erste MCS-Pilotanlage in Betrieb genommen. In diesem Bereich werden wir nun zügig weiter daran arbeiten, um den ermittelten Bedarf an rund 6000 Übernacht-Ladepunkten und 2000 Zwischenladen-Ladepunkten (mit MCS), schnell decken zu können.
Ein Detail in diesem Zusammenhang betrifft das Eichrecht. Verbände wie der ZVEI prognostizieren, dass es bis Ende 2027 keine eichrechtskonformen Messeinrichtungen geben wird. Ihre Forderung: Der Gesetzgeber muss Übergangsfristen schaffen, sonst komme die E-Mobilität bei Lkw zu langsam voran.
Kluckert: Wenn das Problem relevant wird, werden wir uns natürlich damit beschäftigen und Lösungen finden. Ich möchte hier noch einmal betonen, dass die flächendeckende Einführung der E-Mobilität wirklich eine Mammutaufgabe mit vielen Akteuren darstellt. Es gibt ein ganzes Bündel an technologischen, rechtlichen und politischen Herausforderungen. Und was in der Macht unseres Ministeriums steht, bringen wir entschlossen auf den Weg. Neben dem Bund kommt aber auch den Ländern und Kommunen eine enorm wichtige Schlüsselrolle zu: Auch sie müssen ihren Beitrag bei der Umsetzung leisten. Einige tun das, aber noch nicht alle.
Halbherr: Egal ob Eichrecht, PIN-Pad-Bezahlfunktion oder auch Baurecht: Vieles wird unterschiedlich ausgelegt. Das macht es schwierig. Wir brauchen darum Standards – für ganz Europa. Regulierung ist wichtig, um Vertrauen in Technologie und Transparenz zu schaffen. Gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass neue Regulierungen den Hochlauf und Innovationen befördern. Dann haben wir gute Voraussetzungen, den Straßenverkehr durchgängig zu elektrifizieren.
Text Peter Gaide | Fotografie Verena Brüning
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.2023 am 2. Oktober 2023 erschienen.
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