Der Beschleuniger
Mit dem von ihm gegründeten Start-up Luminovo will der Elektrotechniker Sebastian Schaal die Zeit zwischen Idee und Serienproduktion verkürzen.
ampere 3.2022
Chefsache
Paul Sebastian Schwenk ist Unternehmer in vierter Generation. Der Vorstandsvorsitzende der Theben AG ist davon überzeugt, dass intelligente Technik sowohl die Lebensqualität als auch die Energieeffizienz im Gebäudesektor erhöhen kann. Doch um die Sanierungsquote zu steigern, müssen Politik, Hersteller und Handwerker neue Wege gehen.
Herr Schwenk, vor mehr als 100 Jahren hat Ihr Urgroßvater einen Mechanismus erfunden, der das Licht im Treppenhaus nach drei Minuten automatisch ausschaltete. Was hat ihn damals motiviert?
Mein Urgroßvater ist in einer Zeit groß geworden, als die Elektrifizierung in den Städten ungefähr an dem Punkt war, wo wir heute mit der Digitalisierung stehen. Elektrizität war damals ein rares Gut. Licht so zu automatisieren, dass nicht unnötig Strom verschwendet wird, lag auf der Hand. Das Motto, mit dem mein Urgroßvater und seine Frau das von ihnen gegründete Unternehmen bewarben, lautete: „Energie zur rechten Zeit.“
Kann man daraus heute noch etwas lernen?
Ich denke schon. Wir reden zwar immer über die Goldenen Zwanziger, aber ein Unternehmen nach einem Krieg und einer Pandemie zu gründen und durch Weltwirtschaftskrise und Hyperinflation zu steuern, war alles andere als einfach. Doch auch solche Zeiten kann man durch unternehmerisches Handeln überstehen und sogar gestärkt daraus hervorgehen.
In einer Welt der erneuerbaren Energien ist der Leitspruch „Energie zur rechten Zeit“ jedenfalls wieder sehr aktuell …
Heute gehen wir noch einen Schritt weiter und sagen: Energie zur rechten Zeit am rechten Ort.
Wenn wir auf den Gebäudesektor schauen, handelt es sich dabei allerdings immer noch um eine Vision. Warum eigentlich?
Die Technologie ist vorhanden. Manches ginge sicherlich noch effizienter, aber die Basis ist geschaffen. Ich denke, der fehlende Schmerz bei Abnehmern und Entscheidern spielt eine wesentliche Rolle. So sind die Installateure seit einem Jahrzehnt voll ausgelastet. Da gab es wenig Bedarf, den Umsatz durch Upselling zu steigern, nach dem Motto: Wollen Sie nicht lieber einen doppelten Espresso statt einem einfachen? Das hat viele Eigentümer davon abgehalten, in intelligente Gebäude und Elektrifizierung zu investieren. Hinzu kam, dass Öl und Gas billig waren. Mit Fridays for Future und dem wachsenden Bewusstsein für die Klimakrise, der Corona-Pandemie und jetzt dem Krieg in der Ukraine ist die Bereitschaft gewachsen, in neue Technologien zu investieren.
Auf die teurer werdende Energie gäbe es auch eine andere Antwort: Wir verzichten ein wenig und sparen uns die Neuinvestitionen in komplizierte Technik.
Wenn wir sehr weit in die Zukunft schauen, halte ich es durchaus für möglich, dass wir wieder bescheidener leben und Selbstversorgung einen höheren Wert hat. Für die nähere Zukunft glaube ich allerdings an die Mischung aus Lebensqualität und Energieeffizienz. Ich glaube, dass ein CO2-neutrales und komfortables Wohnen mit intelligenter Technik möglich ist. Darin sehe ich für den Industriestandort Deutschland eine große Chance, insbesondere für die Elektro- und Digitalindustrie. Deshalb sollten wir vorangehen und die Energiewende zum Exportschlager machen. Es gibt übrigens auch kein schöneres Friedensprojekt.
Wie kann die Energiewende im Gebäudesektor gelingen?
Natürlich muss erst einmal ausreichend Energie aus erneuerbaren Quellen produziert werden und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sinken. Hier im Zollernalbkreis mit vielen Einfamilienhäusern ist es relativ leicht, Erzeugung und Verbrauch von Gebäuden in Einklang zu bringen. In Ballungsräumen reichen jedoch die Dachflächen nicht für eine hohe Eigenstromproduktion. Die Frage, wie Elektrofahrzeuge als dezentrale Speicher zum Energiemanagement der Gesellschaft beitragen können, stellt sich ebenfalls ganz anders, wenn man nicht auf dem eigenen Grundstück lädt. Dafür benötigen wir allerdings eine wesentliche Komponente: Ein Energiemanagement, welches das Gebäude zu einem Teil der Energie-Infrastruktur macht.
Was genau ist damit gemeint?
In der Energiewelt von morgen geht es nicht mehr nur um die Interaktion zwischen dem Besitzer eines Eigenheims mit Solaranlage und dem Energieerzeuger. Vielmehr wird es möglich sein, überschüssigen Strom in die direkte Nachbarschaft oder innerhalb einer Strom-Community zu verkaufen. Über Smart Contracts und Blockchain-Technologien beteiligen sich Hauseigentümer und Autobesitzer direkt am Strommarkt. Parallel integriert man das Smart Home, das perfekt auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt ist, in das Energiemanagement. Es steuert den Energieverbrauch automatisiert, aber ohne jeglichen Komfortverlust.
Was wäre denn an Effizienzsteigerung möglich, wenn man Energiemanagement über die Grenzen des eigenen Grundstücks hinaus betreibt?
Kumuliert reden wir auf jeden Fall über Terrawattstunden. Doch erst wenn wir Smart-Meter-Gateways flächendeckend einsetzen, werden wir einen genauen Einblick haben. Noch sind wir in der Startphase, die ersten zehn Prozent müssen erst einmal verbaut werden. Es wäre ökonomisch wie ökologisch ein riesiger Gewinn, wenn wir Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie nicht mehr abschalten müssten, sondern den erzeugten Strom vollständig nutzen könnten.
Was müsste politisch passieren, um diese Entwicklung zu fördern?
Da hat sich bereits viel getan, zum Beispiel durch die Fördermittel für die Sanierung von Heizungen. Für wichtig halte ich allerdings, dass bei der Förderpolitik immer der Gebäudebestand im Fokus steht. Auch scheint mir die Bedeutung von Gebäudeautomatisierung als Teil von Sanierungen noch immer nicht hinreichend erkannt. Über die wenigen Neubauten werden wir nur einen geringen Gesamteffekt erzielen. Aktuell bereitet uns der Fachkräftemangel, vor allem im Handwerk, gewaltige Sorgen. Die nächsten Jahre sind eher davon geprägt, dass die Nachfrage nicht bewältigt werden kann. Es wäre gut, wenn die Politik mehr Anreize für das Handwerk als Berufsfeld schaffen würde. Aber auch wir als Hersteller sind gefordert.
Sie sind doch kein Handwerksbetrieb. Was wollen Sie denn gegen den Fachkräftemangel tun?
Wir müssen uns immer wieder fragen: Wie kann man es noch einfacher machen? So arbeiten einige Hersteller daran, die Installationszeiten für Wärmepumpen radikal zu verkürzen, zum Beispiel durch den Einsatz von Augmented Reality. Wir entwickeln uns in Richtung „plug und play“, selbst in einem so kleinen Unternehmen wie Theben.
Müsste das nicht auch heißen, die hohe Individualität von Elektroinstallationen zugunsten von Standardlösungen einzuschränken?
Dieser Trend existiert bereits. Sowohl Fertighausanbieter als auch Mitgliedsunternehmen des ZVEI bieten konfigurierte Energiezentralen an. Die sehen übrigens auch schick aus, sodass sie der Hauseigentümer als Statussymbol vorzeigen kann. Das kann ich mir analog auch für die Schaltzentrale eines Smart Home vorstellen. Es gibt bereits Unternehmen, die vorkonfigurierte KNX-Schaltschränke ausliefern. Wenn wir künftig innerhalb des Smart Home noch mehr Informationen per Funk übertragen können, wird es noch einfacher, weil keine Leitungen mehr verlegt werden müssen.
Solche integrierten Lösungen sind dann aber auch anfälliger für Wettbewerb aus dem Ausland, oder?
In der Entscheidungsfindung geht es immer um eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung von Hauseigentümer zu Handwerker. Der Handwerksmeister ist tendenziell konservativ und setzt auf ein paar wenige Markenunternehmen, deren Produkte er über ein, zwei Großhändler bezieht. Als Hersteller haben wir uns lange Zeit hinter dem Großhandel versteckt. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass das so bleibt. Mittlerweile sehen wir Plattformunternehmen, die Kapital in Millionenhöhe einsammeln und über Shops in der Innenstadt oder eine Website den Hauseigentümern Komplettlösungen anbieten. Die kaufen Handwerksbetriebe auf, die dann in ihrem Auftrag agieren. Dadurch verändern sich die Kundenbeziehungen.
In der Elektromobilität sehen wir eine ähnliche Tendenz, weil Stadtwerke und Autohersteller Wallboxen plus Elektroinstallation komplett anbieten.
Das muss an sich nichts Schlechtes sein, schon gar nicht für uns als Spezialist. Es muss nicht überall „Theben“ draufstehen, es reicht, wenn wir wissen, dass unsere Produkte verbaut werden.
Müssen sich die Wertschöpfungsstrukturen vielleicht sogar dringend verändern, damit die angestrebte Verdopplung der Sanierungsquote Realität werden kann?
Es ist doch schade, wenn eine starke Nachfrage entsteht, die nicht bedient werden kann, insbesondere wenn das Land auf eine Rezession zusteuert. Wir können das aber lösen, wenn wir das scheinbar Bedrohliche annehmen und mutig neue Wege einschlagen.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schwenk.
Text: Johannes Winterhagen | Fotografie: Alexander Grüber
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.2022 am 12. August 2022 erschienen.
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