Gewaltenteilung

Freiheit und Freihandel

Der CDU-Politiker Jens Spahn sieht Freihandel als Voraussetzung für individuelle Freiheit. Allerdings plädiert er dafür, die Beschaffungswege zu diversifizieren und die Zusammenarbeit mit anderen Demokratien zu intensivieren.

Freiheit und Freihandel sind keine Gegensätze, sondern gehen Hand in Hand. Das deutsche Geschäftsmodell beruht auf Freihandel: Fast ein Drittel der Bruttowertschöpfung und mehr als jeder vierte Job bei uns hängen direkt oder indirekt vom Export ab. Der so erwirtschaftete Wohlstand trägt maßgeblich zur individuellen Freiheit bei – indem er Bildung, Infrastruktur, innere und soziale Sicherheit finanziert, was praktische Bedingungen für individuelle Freiheiten sind. So bedingt der Wohlstand, wie aktiv Bürgerinnen und Bürger ihre Freiheiten nutzen können.

Gleichzeitig folgt ein ertragreicher Freihandel aus wirtschaftlicher Freiheit: Deutsche Mittelständler und Familienunternehmen sind international wettbewerbsfähiger, je mehr Freiraum für Kreativität und Innovation sie besitzen. Frei zu wirtschaften, ist ohne politische und individuelle Freiheit kaum möglich. Innovatives Unternehmertum braucht Kreativität, Ideen außerhalb des bestehenden Rahmens zu denken und zu testen. Und das Rechtsinstitut des Privateigentums ist zugleich Anreiz für erfolgreiches Wirtschaften wie auch Verantwortung im Umgang mit Ressourcen. Der Erfolg gibt uns Recht. Als Demokratien können wir selbstbewusst feststellen: Während das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf für das autokratische China bei circa 12.500 US-Dollar liegt, beträgt es in der EU mehr als 38.000 US-Dollar. Und China ist noch das erfolgreichste Beispiel eines Landes, das versucht, wirtschaftliche Prosperität zu erreichen, ohne individuelle und politische Freiheit zu gewähren.

Freiheit führt Freihandel zum Erfolg, nicht umgekehrt. Von der Idee, dass „Wandel durch Handel“ eine Art Naturgesetz ist, sollten wir uns verabschieden. Dass Verbesserungen für politische und individuelle Freiheit zwangsläufig nachziehen, wenn wir durch Freihandel die wirtschaftliche Freiheit fördern, hat sich in vielen Fällen nicht bestätigt.

Deshalb wird ein strategischer Freihandel auch künftig eine Voraussetzung für unsere Freiheit sein. Wenn Freiheit bedeutet, in jeder Situation souverän entscheiden zu können, dann wird unsere Freiheit durch wirtschaftliche Abhängigkeiten reduziert. Das zeigt sich unter anderem mit Blick auf Rohstoffe, die für die Digital- und Elektroindustrie wichtig sind. Deswegen brauchen wir verschiedene Handelspartner, um die bisherigen Bezugswege zu diversifizieren. Gleichzeitig beginnt eine solche Souveränitätspolitik daheim, indem wir Anreize für die Diversifizierung setzen, zum Beispiel steuerlicher Art im Bereich der Lagerhaltung.

In unserer künftigen Handelspolitik müssen wir daher nüchtern analysieren, mit wem wir warum Freihandel betreiben – und mit welchen Grenzen. Fortschritte müssen wir insbesondere in den Beziehungen mit anderen Demokratien erreichen, etwa mit Kanada, Neuseeland, Australien, Chile, Mexiko und Indien. Wenn wir auf diese Weise unsere Abhängigkeiten reduzieren, können wir mehr Sicherheit durch Handel schaffen – und damit unsere Freiheit verteidigen.

 

Autor: Jens Spahn, CDU, stellvertretender Vorsitzender, Mitglied des deutschen Bundestags

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.2022 am 8. November 2022 erschienen.



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