Wer in Indien Erfolg hat, bedankt sich bei Ganesha. Eine Statue des hinduistischen Glücksgotts mit dem Elefantenkopf müsste daher auch das Büro von Dr. Jonas Danzeisen zieren. Denn der Geschäftsführer und Mitgründer der Frankfurter Venios GmbH beschloss mit seinen Kollegen in der Geschäftsleitung vor knapp zehn Jahren, den indischen Markt zu erschließen – und hatte damit großen Erfolg.
Venios entwickelt digitale Zwillinge, die in Echtzeit die Auslastung im kompletten Mittel- und Niederspannungsnetz zeigen. „So bekommen Stadtwerke und Netzbetreiber ein Abbild der Infrastruktur und ihres Betriebszustands. Dieses unterstützt sie bei der Betriebsführung des Netzes ebenso wie bei dessen langfristiger Weiterentwicklung“, erklärt Danzeisen. Gebraucht würde die Lösung überall dort, wo sich Netze – wie beim Ausbau erneuerbarer Energien – in einer Transformation befänden oder sich Volkswirtschaften dynamisch entwickeln. „Durch Wirtschaftswachstum entsteht Wohlstand. Das bedeutet größere Wohnungen, mehr Klimaanlagen, einen höheren Verbrauch und damit mehr Stress in den Netzen“, so Danzeisen.
Indien will bis 2030 eine Milliarde Tonnen CO2 einsparen
In Indien laufen beide Entwicklungen gleichzeitig ab. Die Wirtschaft der mit 1,4 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Nation der Welt wuchs laut Weltbank im Finanzjahr 2022/2023 um 6,9 Prozent. Schon in den vergangenen zehn Jahren haben indische Versorger jedes Jahr 50 Millionen Kunden neu an das Stromnetz angeschlossen. Bis 2040 müssen laut Konrad-Adenauer-Stiftung zusätzliche Erzeugungskapazitäten im Umfang der heutigen Stromversorgung der Europäischen Union entstehen, um die Nachfrage bedienen zu können.
Die Regierung in Neu-Delhi setzt dabei vor allem auf erneuerbare Energien. Denn sie will Indien bis 2070 klimaneutral machen und bis 2030 insgesamt eine Milliarde Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse sollen mit 265 Gigawatt schon 2025 dreimal so viel zur Stromversorgung des Subkontinents beitragen wie heute. Das erfordert Investitionen in Höhe von 110 Milliarden Euro, meldet Germany Trade and Invest (GTAI).
Dafür ist das indische Stromnetz aber nicht ausgelegt. Daher müssen bis 2025 auch 50.000 Kilometer Hochspannungsleitungen neu verlegt werden. Das kostet laut GTAI weitere 74 Milliarden Euro. Um die lokalen Verteilnetze besser führen zu können, entstehen derzeit landesweit zudem 15 Smart Grids. Stromerzeuger und -versorger sind verpflichtet, bis Ende 2025 IT-Lösungen wie die von Venios zu installieren und ihre Netzführung zu automatisieren.
250 Millionen indische Haushalte bekommen bis 2028 Smarte Stromzähler
Derzeit sind die Frankfurter vor allem an der Modernisierung der Verteilnetze in indischen Großstädten beteiligt. „In Neu-Delhi implementieren wir an einigen Stellen unsere Lösungen, damit Netze dort flexibler betrieben werden können“, berichtet Danzeisen. „Dabei können wir auf eine sehr gute Datenlage zum Stromverbrauch zugreifen. Denn digitale Stromzähler sind in der indischen Hauptstadt schon seit 20 Jahren fast überall installiert.“ In den kommenden fünf Jahren sollen in Indien weitere 250 Millionen Haushalte mit intelligenten Stromzählern ausgestattet werden. Für Danzeisen zeigt das, mit welchem Pragmatismus Indien an die Energiewende und den Netzausbau herangeht: „Dort will man Menschen ans Stromnetz bringen. Wenn dazu bestimmte Softwarelösungen erforderlich sind, dann nutzt man diese eben.“ Ganesha sei es gedankt.