Die ersten Reaktionen der betroffenen Branche auf diese Pläne fielen positiv aus. Selbst das Edison Electric Institute, der nationale Dachverband der kommerziellen Kraftwerksbetreibenden, sicherte der Regierung Biden in einer Stellungnahme grundsätzlich Unterstützung zu. Ziel sei es, „so schnell wie möglich“ mehr sauberen Strom zu produzieren, sagte Verbandspräsident Tom Kuhn. Dabei dürften allerdings „Bezahlbarkeit“ und „Zuverlässigkeit“ nicht vergessen gehen – eine Anspielung auf das oft gehörte Argument der Gegner einer Energiewende, auf erneuerbare Energiequellen sei im Notfall kein Verlass.
Die Unterstützer der Biden-Pläne wollen dieses Argument nicht gelten lassen. Sie sagen, den eigentlichen Schwachpunkt im amerikanischen Energiemarkt stelle das Stromnetz dar und nicht die Kraftwerke. Die notwendigen Technologien zur Erzeugung und Verwendung von sauberem Strom – Solarzellen, Windräder, Wasserkraftwerke sowie Batterien und andere Energiespeicher – stünden bereits zur Verfügung und seien skalierbar, ergänzt Holly Burke, die für die grüne Lobby-Organisation Evergreen Action arbeitet. Deshalb seien erneuerbare Energien schon jetzt billiger als die Angebote der Konkurrenz. So rechnet die Regierung Biden damit, dass bis ins Jahr 2035 rund 40 Prozent des amerikanischen Stroms mit Solaranlagen erzeugt werden – was einer Steigerung um das Zehnfache entsprechen würde.
Eine Chance eröffnet sich mit der Energiewende für die Nuklearindustrie. Amerika sei auf eine Stromquelle angewiesen, die zum einen klimaneutral, und zum anderen rund um die Uhr verfügbar sei, sagt John Kotek, beim nationalen Dachverband Nuclear Energy Institute zuständig für öffentliche Angelegenheiten. Mit einer gewissen Zufriedenheit nehme er deshalb zur Kenntnis, dass die Politiker in Washington vermehrt von „sauberer“ und nicht mehr nur von „erneuerbarer“ Energie sprächen. „Unsere Botschaft, dass wir zuverlässig bezahlbaren Strom produzieren, stößt auf offene Ohren“, sagt Kotek. Allerdings: Der Anteil des per Kernenergie gewonnen Stroms ist in den vergangenen Jahren auf 20 Prozent gefallen. Und in den vergangenen 25 Jahren konnte in den USA nur ein neuer Kernreaktor in Betrieb genommen werden. Zwei Reaktoren befinden sich aktuell im Bau und sollen spätestens im Jahr 2022 ans Netz gehen.
Nicht von neuen Kernkraftwerken, jedoch von einer Modernisierung der gesamten Energie-Infrastruktur, insbesondere auch der Ertüchtigung von Übertragungs- und Verteilnetzen, in den Vereinigten Staaten könnte auch die Elektroindustrie profitieren. So lässt sich Barbara Humpton, die USA-Chefin von Siemens, mit den Worten zitieren: „Die Regierung von Joe Biden nimmt den Klimawandel ernst, und wir werden absolut von dem neuen Kurs profitieren.“