Jedes Herz gerät manchmal ein bisschen aus dem Takt. Ziehen sich die Herzvorhöfe und Herzkammern allerdings öfter unregelmäßig zusammen und pumpen weniger Blut in den Kreislauf, können Gerinnsel entstehen. Das kann zu Schlaganfällen führen. Ein Warnsignal ist das sogenannte Vorhofflimmern, das durch ein Langzeit-EKG frühzeitig erkennbar ist. Laut einem Report der Krankenversicherung DAK könnten rund 10.000 Schlaganfälle pro Jahr verhindert werden, wenn man auf die Zeichen früh reagieren würde.
Langzeit-EKGs sind allerdings aufwendig und unkomfortabel. „Außerdem dauert die Auswertung lange und wird völlig unzureichend vergütet“, sagt Stephan Kranz. Gemeinsam mit zwei anderen Ärzten des Cardiologicums Hamburg, in dem er Gesellschafter ist, hat der Nuklearmediziner deswegen das Start-up dpv-analytics gegründet. „Als wir ein neues Langzeit-EKG kaufen mussten, haben wir uns entschieden, ein eigenes Gerät samt Software zu entwickeln“, erinnert sich Kranz. Das Ergebnis ist ein streichholzschachtelgroßer Kasten, der auf den Brustkorb geklebt wird und bis zu zwölf Tage lang die Herzschläge messen und aufnehmen kann. Anschließend schicken die Ärzte oder die Patienten das Gerät an dpv-analytics zur Auswertung.
Auch die dafür nötige Software entwickelte das Unternehmen gemeinsam mit einer IT-Firma selbst. Die Herausforderung dabei war nicht, die Herztöne zu erkennen und aufzubereiten. „Wir mussten sie auf das Vorhofflimmern anpassen, sie also mithilfe Künstlicher Intelligenz anlernen und eine hohe Sensitivität und Spezifität erreichen“, sagt Kranz. Beide Parameter liegen nun bei 93 Prozent. Das Ergebnis schickt dpv-analytics per Arztbrief an die Kollegen. „Diagnostics as a Service“ nennt der Gründer das.
Bisher nutzt das Cardiologicum selbst die Technik, außerdem arbeitet das Start-up mit einer privaten und der gesetzlichen Krankenkasse Barmer zusammen. Dieses Jahr soll das Produkt, das 2021 den German Medical Award bekommen hat, Geld einbringen. Parallel dazu will dpv-analytics die Technik weiterentwickeln. „Wir wollen das Ganze so einfach wie eine Blutprobe gestalten“, sagt Stephan Kranz. „So können wir einen wichtigen Bereich der Medizin für viel mehr Menschen zugänglich machen.“