Doch müssten angesichts der Klimakrise nicht zumindest jene Staaten, die bereits einen hohen Entwicklungsstand erreicht haben, jegliches weitere Wachstum einstellen? Eine Antwort gibt der UN-Report, wenn man den Entwicklungsstand mit den CO2-Emissionen korreliert, die notwendig sind, um die jeweilige Wirtschaftsleistung zu erbringen. Und siehe da: Je entwickelter ein Staat ist, desto weniger CO2 muss er pro Dollar Bruttoinlandsprodukt ausstoßen. Norwegen emittiert nur 110 Gramm pro Dollar, Deutschland 200 Gramm und China derzeit noch 450 Gramm. Allerdings schwanken Energiemix, Lebensweisen und Technologiepräferenzen in den Mitgliedsstaaten stark. Deshalb sind Durchschnittswerte aussagekräftiger als die Angaben für einzelne Staaten. Die Top-10-Länder beispielsweise kommen im Schnitt auf 147 Gramm pro Dollar. Der Durchschnitt für alle Staaten, die zur Gruppe der höchstentwickelten 66 Länder gehören, beträgt 240 Gramm pro Dollar. Die darauffolgende Gruppe der hochentwickelten Länder wiederum emittiert durchschnittlich 340 Gramm pro Dollar. Ein Teil der positiven Entwicklung dürfte allerdings darauf zurückzuführen sein, dass mit zunehmendem Entwicklungsstand sehr hochwertige Güter sowie Dienstleistungen einen höheren Anteil am Bruttoinlandsprodukt ausmachen, während CO2-intensive Güter wie Rohmaterialien aus geringer entwickelten Staaten importiert werden.
Trotzdem: Wachstum steht in einer postfossilen Gesellschaft nicht im Widerspruch zu den Klimazielen, zu denen sich die Weltgemeinschaft 2015 mit dem Pariser Abkommen verpflichtet hat. Es gibt gute Gründe dafür, sogar das Gegenteil zu behaupten. Für den Umbau unseres Energiesystems, die Modernisierung von Gebäuden und Verkehrsinfrastrukturen sowie die Einführung neuer Industrieprozesse stehen laut BDI allein in Deutschland Investitionen von bis zu 2,3 Millionen Euro an. Dies führt zu Wachstumschancen für Unternehmen und Branchen, die die Technologien für den Umbau entwickeln, produzieren und exportieren. Diese Chance zu nutzen, statt Entwicklung einzubremsen, könnte das wichtigste Gebot der Stunde sein.