Beste Praxis

Leben und Lernen

Für Christian Erbe bedeutet Ausbildung viel mehr, als nur einen Beruf zu lernen. Der geschäftsführende Gesellschafter von Erbe Elektromedizin setzt vor allem auf duale Konzepte, um Theorie und Praxis zu verbinden – und auf Lebenserfahrung. 

 

Als Christian Erbe nach seinem Abitur Tübingen verließ, um in Karlsruhe zu studieren, war das für den jungen Mann ein großer Schritt. „Ich kam aus einem sehr behüteten Elternhaus mit drei Geschwistern und hatte nach der anfänglichen Euphorie schnell Heimweh“, sagt der Geschäftsführer von Erbe Elektromedizin, der ­heute in fünfter Generation das Familienunternehmen leitet. Das ungute Gefühl legte sich schnell, und danach konnte es gar nicht weit genug weg sein. Er studierte weiter in Berlin, arbeitete in Wien und im US-amerikanischen Atlanta, leitete zunächst das Osteuropageschäft des Unternehmensverbunds, danach das in Nordamerika. Heute sagte er: „Die Zeit weg von Zuhause habe ich gebraucht, um mich abzunabeln und herauszufinden, was ich wirklich will.“

Der Unternehmer rät jungen Leuten, sich aus­zuprobieren, nach der Schule zum Beispiel ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr zu machen oder sich in fernen Ländern mit Work & Travel über Wasser zu halten. „Das ist sehr gut investierte Zeit, in der man sich nicht auf die Eltern verlassen kann und so seine eigenen Ideen entwickelt. Außerdem spart man vielleicht auch einige Jahre Studium, wenn man sich ansonsten zu schnell für das falsche Fach entschieden hätte.“ Für Christian Erbe ist ein solcher Schritt enorm wichtig, auch wenn er im eigenen Konzern auf die Ausbildung schaut. Hier setzt er ebenfalls auf eine möglichst enge Anbindung an die Realität. „Wir haben rund 50 junge Menschen im Unternehmen, die entweder eine duale Ausbildung oder ein duales Studium machen.“ Absolventen von Universitäten oder Hochschulen für Angewandte Wissenschaften steigen eher selten bei Erbe Elektro­medizin direkt ein, obwohl in der Grundlagenforschung und der Entwicklung am Stammsitz in Tübingen rund 190 Wissenschaftler arbeiten, bis hin zu Professoren. „Wir benötigen dort Menschen, die schon Berufserfahrung haben, damit wir im Wettbewerb bestehen können.“ 

Solche Menschen zu finden, wird in den kommenden Jahren nicht einfacher, der Wettbewerb mit anderen Branchen ist groß. „Deswegen müssen wir internationaler werden und für mehr junge Menschen auch aus dem Ausland attraktiv sein.“ Der Export von Ausbildungsstandards in die weltweiten Standorte des Unternehmens ist deswegen nur folgerichtig. 17 Tochterunternehmen arbeiten im Ausland – und damit 500 von 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern –, vor allem im Vertrieb, aber zunehmend auch in Einkauf, Forschung und Produktion. Noch gibt es dort aber keine eigenen Ausbildungsgänge. Ein Grund dafür: „Wenn wir etwa die USA und China mit Deutschland vergleichen, sehen wir höchst unterschiedliche ­Ansätze: Die Amerikaner setzen in der Produktion zum Beispiel auf sogenannte System Operation ­Procedures. Sie schreiben jeden Handgriff vor und können so auch ungelernte Kräfte einplanen“, beschreibt Erbe das System. Auch Führungsjobs werden in den USA oft nicht aufgrund formaler Qualifikationen vergeben. So hatte eine ehemalige USA-Marketingchefin von Erbe Elektro­medizin nicht Betriebswirtschaft studiert, sondern kam vom ­Musical am Broadway. „Allerdings wollen wir auch dort durch die Ausbildung mehr Experten­tum erreichen.“ Bei einer Wertschöpfungs­tiefe von 70 Prozent und vielen hoch spezialisierten Bereichen sei das auf jeden Fall sinnvoll.

„Wir müssen weltweit stark auf Weiterbildung setzen.“

Christian Erbe, Geschäfstführender Gesellschafter

In China hingegen gehe es vor allem um ­extreme Disziplin, was schon bei den Kindern im Schul­unterricht anfange. „Die Menschen dort studieren auf der einen Seite enorm schnell und faktenreich, was manchmal zulasten der Kreativität und der Inno­vationskraft geht“, sagt Christian Erbe. „Auf der anderen Seite können wir von der Detailorientierung lernen. Die macht die in China entwickelten Pro­dukte immer besser.“ Für ihn ist klar, dass eine fundierte Ausbildung nur einer von mehreren Schlüsseln zum Erfolg ist. „Wir müssen weltweit stark auf Weiterbildung setzen“, erklärt der Unternehmenschef. „So können die Mitarbeiter nicht nur ihre Aufgaben besser lösen – sondern wir können sie auch bei uns halten, weil wir ihnen interessante Angebote machen, die sie weiterbringen.“ Auf diese Weise kann Erbe das Ziel erreichen, innerhalb des Unternehmens durchlässiger zu werden. „Hoch qualifizierte junge Leute aus allen Bereichen sollen im Ausland, dort wo es passt, eingesetzt werden können“, sagt Christian Erbe. „Das fördert ihre eigene Motivation und hilft uns, innerhalb des Unternehmens international eine stärkere Verbindung aufzubauen.“

 

Text Marc-Stefan Andres | Bild Erbe Elektromedizin

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.2021 am 6. Dezember 2021 erschienen.



Erschienen in der Ausgabe 4.2021

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