Grenzüberschreitung

Kanada baut die grüne Zukunft

Das Partnerland der Hannover Messe 2025 will riesige Windparks errichten, grünen Wasserstoff produzieren und China bei der Batterieproduktion Konkurrenz machen – gefördert mit großzügigen Zuschüssen, in deren Genuss auch deutsche Firmen kommen können.

Die deutsche Energiewende könnte demnächst auch 4.800 Kilometer von Berlin entfernt spürbar sein – an der Ostküste Kanadas. Auf der Insel Neufundland, direkt im stürmischen Nordatlantik, plant das Wiesbadener Unternehmen ABO Energy einen riesigen Windpark: Auf einer Fläche so groß wie 150.000 Fußballfelder sollen künftig Turbinen mit fünf Gigawatt Gesamtleistung stehen – das ist mehr, als Deutschland im Jahr 2023 an Land installiert hat.

Mithilfe des Stroms will man vor Ort grünen Wasserstoff produzieren, der dann als Ammoniak nach Deutschland verschifft wird. „Die politischen Weichen sind weitgehend gestellt, die Finanzierung bleibt aber eine zentrale Herausforderung“, sagt Heiko Steinacher von Germany Trade & Invest (GTAI), der Außenwirtschaftsagentur des Bundes. Insgesamt zehn Windparks sollen in Kanada entstehen, und deutsche Hersteller profitieren bereits davon: Bei der Nordex Group aus Hamburg wurden Windkraftanlagen mit insgesamt 500 Megawatt Leistung geordert, Siemens Gamesa und Enercon sind ebenfalls im Geschäft.

Traditionelle Partnerschaft

Dass deutsche Firmen Technik nach Kanada liefern, hat Tradition. „Gerade im Bereich von Elektronik und Elektrotechnik gibt es seit jeher eine starke Partnerschaft“, sagt Yvonne Denz, Geschäftsführerin der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer. Neben der Windkraft sieht sie in den kommenden Jahren vor allem Chancen rund um das Thema Energie. „Alle Provinzen haben realisiert, dass sie ihre Netze ausbauen müssen“, so Denz. 

Ein weiteres Standbein der kanadischen Industrie soll in Zukunft die Batterieproduktion sein. Denn in den Böden dort liegt alles, was für E-Autos gebraucht wird: Lithium, Nickel, Kobalt und Seltene Erden. Laut einer Analyse von Bloomberg New Energy Finance hat Kanada bei den Rohstoffen sogar eine bessere Ausgangsbasis als China. Diese Vorkommen will man in den nächsten Jahren erschließen – und im Land verarbeiten. „Das Ziel ist, eine komplette Wertschöpfungskette aufzubauen, von der Mine bis zur Batterie“, so GTAI-Experte Steinacher. 

Die ersten E-Vorstöße laufen: Der japanische Autobauer Honda hat zugesagt, für elf Milliarden US-Dollar vier neue Produktionsstätten für Elektrofahrzeuge in Kanada zu errichten. Ford investiert ebenfalls in einen neuen Montagekomplex, und die Volkswagen-Tochter PowerCo plant in Ontario ein Batteriewerk. Die Lieferkette für Batteriematerialien steht allerdings noch nicht. „Die Preise für Batterierohstoffe sind für viele Investoren zu niedrig, um in Nordamerika neue Minen-Projekte zu starten“, erklärt Steinacher. Und vom Mineralienfund bis zur Inbetriebnahme einer Mine können fünfzehn bis zwanzig Jahre vergehen.

Steuergutschriften für ausländische Unternehmen

Kanada unterstützt den Aufbau des E-Sektors mit großzügigen Finanzhilfen. Firmen, die in „sauberen Branchen“ tätig sind, können seit 2024 Gutschriften erhalten, die den Steuerbetrag direkt senken (Investment Tax Credits, ITCs). In den Genuss kommen zum Beispiel Hersteller von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen, aber auch Anbieter aus den Bereichen Wasserstoff sowie Kohlendioxidabscheidung und -einlagerung. Für ausländische Unternehmen sind die ITCs auch attraktiv, da sie über kanadische Tochterunternehmen in Anspruch genommen werden können. Honda etwa hat für seine geplanten E-Auto-Werke eine 30-prozentige Steuergutschrift erhalten.

Hinter Kanadas großen Plänen stehen derzeit allerdings einige Fragezeichen, denn es zeichnet sich ein Politikwechsel ab: Premierminister Trudeau hat seinen Rücktritt angekündigt und könnte von einem konservativen Nachfolger abgelöst werden. Ob eine neue Regierung an der großzügigen Greentech-Förderung festhalten wird, ist offen.

 

Mehr zum kanadischen Einwanderungsmodell finden Sie hier.

 

Text Constantin Gillies | Illustration shutterstock/ Scoot Heaney, shutterstock/ zhongyugan

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2025 am 24. März 2025 erschienen.



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