Über einen Fachkräftemangel müssen sich kanadische Unternehmen kaum Sorgen machen. „Ein demografisches Problem wie in Deutschland gibt es hier nicht“, sagt Yvonne Denz, Geschäftsführerin der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kanada). Das liegt an einem gesunden Bevölkerungswachstum: Seit der Jahrtausendwende ist die Einwohnerzahl Kanadas von 30,6 auf mehr als 40,1 Millionen angewachsen – während Deutschland nur einen kleinen Schritt von 82,3 auf 83,4 Millionen geschafft hat. Den massiven Zustrom neuer Bürger steuert Kanada seit 1967 über ein Punktesystem, das weltweit als vorbildlich gilt. Sein Grundprinzip: Nur derjenige darf ins Land, der auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wird. Zwei vereinfachte Beispiele zeigen, wie das System funktioniert:
Eine 34-jährige Informatikerin hat sich bei einem Softwareunternehmen in Toronto beworben und will vorab ihre Einbürgerungschancen prüfen. Da Kanada junge Einwanderer bevorzugt, erhält sie in der Kategorie „Alter“ die Maximalpunktzahl 12. Für ihren Bachelorabschluss gibt es 21 Punkte, hinzu kommen 13 Punkte für fünf Jahre Berufserfahrung. Ihr Englisch schätzt die Informatikerin als gut ein, was ihr in der Kategorie „Sprachkenntnisse“ 20 Punkte bringt. Allerdings hat ihr die Softwarefirma noch kein konkretes Jobangebot gemacht, deshalb geht sie in der Dimension „Erwerbschancen“ leer aus. In Summe kommt die IT-Fachfrau auf 66 Punkte, was knapp unter dem aktuellen Minimum von 67 Punkten liegt.
Ein promovierter Ingenieur (55) bekommt von einem deutschen Elektrokonzern die Büroleitung in Vancouver angeboten. Für seine Einwanderungschancen ist die Seniorität schlecht, da es ab 47 Jahren null Punkte in der Kategorie „Alter“ gibt. Dafür kann der alte Hase aufgrund seines Doktortitels bei „Bildung“ die Maximalpunktzahl 25 einstreichen. Hinzu kommen 15 Punkte für mehr als sechs Jahres Berufserfahrung. Ein Sprachtest bescheinigt dem Ingenieur hervorragende Kenntnisse in Englisch und Französisch – was in der Kategorie „Sprachen“ die Maximalpunktzahl 28 bedeutet. Nochmals 10 Punkte kommen hinzu, weil er ein definitives Jobangebot vorweisen kann. Macht in Summe 78 Punkte. Der Ingenieur darf also in den Pool der Einwanderungskandidaten, wobei über die finale Zusage noch eine Behörde entscheidet.