Warum also positioniert sich Aserbaidschan jetzt als Öko-Pionier? „Zwei Drittel der Öl- und Gasexporte gehen in die EU, und wenn Europa umdenkt, muss Aserbaidschan das auch tun“, sagt Viktor Ebel, Experte für die GUS-Region bei GTAI. Daneben verspreche sich die Regierung von ihrem grünen Vorstoß mehr Stabilität bei den Einnahmen. In der Vergangenheit hatte der schwankende Ölpreis immer wieder Investitions- und Bauprojekte verzögert oder lahmgelegt.
Allerdings tut sich das „Land des Feuers“ – so die wörtliche Übersetzung von Aserbaidschan – mit dem Abschied vom buchstäblichen Feuer bislang schwer. Viele Vorhaben verlaufen im Sand, bemängeln Insider. Oft fehlt es an Geld und Fachkompetenz, zudem werden viele ausländische Investoren von der verbreiteten Korruption und der schlechten Menschenrechtslage abgeschreckt. Auch die militärische Offensive Aserbaidschans gegen Armenien im Jahr 2023 und die Aussicht auf weitere Konflikte zwischen den Ländern machen Investitionen zum Risiko. Darum vermuten Beobachter, Aserbaidschan nutze die COP29, um sein Image aufzupolieren.
So verwundert es auch wenig, dass hinter dem Plan vom Stromkabel durchs Schwarze Meer noch Fragezeichen stehen. Bei Unterzeichnung des Kooperationsvertrags hieß es, die Bauarbeiten könnten 2023 starten. Bislang existiert nur eine Machbarkeitsstudie, die den Baubeginn für 2027 avisiert. Aber selbst das sind nur vorläufige Schätzungen. „Solange der Krieg in der Ukraine anhält, tut sich da nichts“, so GTAI-Fachmann Ebel. Landeskenner sind dennoch überzeugt, dass Aserbaidschan auf lange Sicht der Umbau vom Öl- zum Ökostaat gelingt. Beim grünen Strom zum Beispiel werde ein „Kipppunkt von der substanziellen zur massiven Produktion“ kommen, meint der Energieexperte John M. Roberts vom Atlantic Council. „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann dies geschehen wird.“