Brüssel Insights

Widersprüche beseitigen

Nachhaltigkeitsregulierung

Statt neuer EU-Vorgaben müssen wir die bestehenden Regularien auf Umsetzbarkeit und Konsistenz überprüfen.

In der vergangenen Legislaturperiode stand auf europäischer Ebene der Klimaschutz im Vordergrund. Mit dem „Green Deal“ rief die EU das Ziel aus, den Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen. Und das ist auch gut so: Globale Entwicklungen wie der Klimawandel und der steigende Ressourcenverbrauch erfordern ein ambitioniertes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Darum steht der ZVEI auch hinter den ehrgeizigen Zielen im Bereich Nachhaltigkeit – zumal die Elektro- und Digitalindustrie einen wichtigen Beitrag zur „grünen“ Transformation leisten kann und will.

Ebenso wichtig ist aber, dass die EU den „Regulierungs-Tsunami“ der vergangenen fünf Jahre nicht einfach fortsetzt. Es ist hier auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie. In der nächsten Legislaturperiode muss es rasch darum gehen, die Widersprüche zwischen und innerhalb der Regulierungen konsequent zu beseitigen. Nehmen wir zum Beispiel Blei, das in der Elektro- und Digitalindustrie nach wie vor eine wichtige Rolle spielt: Der Einsatz von Blei ist unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Laut EU-Taxonomie zu nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten kann die Verwendung von Blei jedoch dazu führen, dass grüne Technologien wie Solarenergie nicht mehr als nachhaltig eingestuft werden. Die Regulierung verfehlt somit das Ziel, Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten zu lenken. Wir sind also mit einer komplexen Regulierung konfrontiert, die in sich widersprüchlich ist.

REGULIERUNG IN ZAHLEN

Die EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeit sind engmaschig – und mit hohem Aufwand verbunden.

Widersprüche ergeben sich auch beim Kunststoff-Recycling, das im Sinne einer Kreislaufwirtschaft deutlich gesteigert werden soll. Zugleich strebt die EU eine „Non-toxic Society“ an, aus der alle problematischen Chemikalien verbannt werden sollen. Mit klassischen Verfahren lassen sich aber beispielsweise Flammhemmer nicht ohne weiteres aus Kunststoff-Rezyklat entfernen, sodass sie auch in Zukunft in Produkten enthalten wären. Wie will man diesen Widerspruch lösen? Durch ein nur teilweises Recycling? Durch neue – und aufwendige – Verfahren? Oder indem man die unerwünschten Chemikalien doch weiter akzeptiert?

Das sind nur zwei Beispiele aus einer Liste von inkonsistenten Vorgaben. Wir müssen diese Widersprüche beseitigen, wenn wir bei der Nachhaltigkeit wirklich vorankommen wollen – und das bleibt ja unser gemeinsames Ziel.

 

Text Christian Eckert | Bild ZVEI; Illustration shutterstock.com/brichuas, shutterstock.com/Stoker-13

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.2024 am 14. Oktober 2024 erschienen.



Erschienen in der Ausgabe 2.2024

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Vieles ist bereits auf einem guten Weg, etwa beim Recycling von Elektroschrott. Aber viele Potenziale werden noch nicht voll ausgeschöpft.

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Statt neuer EU-Vorgaben müssen wir die bestehenden Regularien auf Umsetzbarkeit und Konsistenz überprüfen.

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